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Neuartige Antennen passen nicht zum bisherigen Rechenverfahren

Wichtige Mitteilung für unsere Messtechniker betreffend steuerbaren Mobilfunkantennen
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mitgeteilt von André Masson
am 10.7.2014

Sunrise / Huawei  haben in Langenthal ein Antennenprojekt ausgeschrieben mit neuartigen Antennen. Diese bestehen aus zwei vollständigen Strahlersystemen nebeneinander. Genaueres Hinschauen lohnt sich: Das Antennen-Paar lässt den Hauptstrahl jetzt auch seitlich ablenken, d.h. den (ev. mobilen) Teilnehmern nachfolgen. Die Konsequenzen für die rechnerische und auch messtechnische Bestätigung dafür, dass in den Wohnungen die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden, sind noch unabsehbar. Glich das Messverfahren bisher einer Nebelwanderung, so wird es jetzt zur Nebelwanderung bei Nacht.

Neuartige Antennen passen nicht zum bisherigen Rechenverfahren
Die Antennen (Kathrein 80010826) bestehen aus zwei bisherigen Systemen, montiert nebeneinander in einem überbreiten Gehäuse, mit total acht Kabelzuführungen pro Sektor. In jedem Sektor sind damit zwei unterschiedliche Vertikalwinkel gleichzeitig möglich. Neu ist es jetzt auch möglich, die Kompassrichtung der Abstrahlung ferngesteuert zu verändern. Das wird im  Standortdatenblatt der Langenthaler Antenne allerdings nicht deklariert. Jede Wohnung, die knapp weniger Strahlung erhält als erlaubt, kann auch oberhalb der Grenze liegen, sobald der Hauptstrahl besser zum fraglichen Ort zeigt.

Die Ablenkung des Strahles wird ermöglicht durch eine zeitliche Verzögerung der Signale zwischen der linken und der rechten Hälfte. Das kann elektronisch und schnell erfolgen, d.h. ohne langsamen Motor, wie er im Fall der Vertikal-Fernsteuerung üblich ist. Folgen bei GSM die einzelnen Gesprächs-Blöcke kurz hinter­einander, so bedient die Antenne das Quartier in einer schnellen Zick-Zack-Bewegung – und erreicht für jeden Teilnehmer einzeln die besten Signalwerte. Stichworte zur Suche im Internet: Smart Antennas, Beamforming, MIMO. Zum Vergleich: Die Radarfläche eines neuen Kriegsschiffes bewegt sich nicht mehr – durch geschickte zeitliche Verzögerungen der unzähligen Teilstrahler kann der Radarstrahl schnell in beliebige Richtungen gelenkt werden („phased array“).

Die Abstrahlung bei zwei Abstrahlzentren ändert sich drastisch: auch in der Horizontalebene gibt es jetzt Haupt- und Nebenkeulen, gleich wie im Vertikaldiagramm. Nichts dergleichen ist im Standortdatenblatt der Langenthaler Antenne ersichtlich. Ohne korrekte Antennendiagramme lässt sich die Belastung in den umliegenden Häusern nicht ermitteln.

Die neuen Antennen vermasseln auch das bisherige Verfahren zur Messung.
Schon lange ist klar, dass sich mit Messgeräten mit  ± 45% Fehler nicht entscheiden lässt, ob die Feldstärke bei Familie XYZ nun 4.96 V/m oder 5.01 V/m beträgt, denn dieser Unterschied beträgt nur 1%. Jetzt wird die Messung bei seitlich herumtanzendem Hauptstrahl nochmals erschwert bis verunmöglicht. Bei der GSM-Technik galt der BCCH-Kanal als zeitlich konstant, seine Feldstärke am Ort der Messung wurde gebraucht, um auf volle Leistung aller Gesprächskanäle hochzurechnen. Die Seitensteuerung bringt jetzt alles durcheinander: Das BCCH-Signal und auch die Gesprächskanäle könnten bei anderer Antennensteuerung  viel stärker werden als zum Zeitpunkt der Messung.

Technologie-neutrale Netze
Bisher wurde im Standortdatenblatt angegeben, in welchen Frequenzbereichen welche Technik angewendet wird. So waren die Verfahren GSM (900 MHz und 1800 MHz) und UMTS (2100 MHz), die jeweils anders gemessen werden, in den Frequenzen schön für sich getrennt. Neu ist diese Trennung hinfällig, die Mobilfunkfirmen müssen nicht mehr fix deklarieren, wo sie was abstrahlen. Es wird pro Frequenzband bloss eine pauschale Abstrahlleistung deklariert.

So kann im Bereich 900 MHz zuunterst per GSM gesendet werden, weiter oben mit UMTS und zuoberst nochmals mit GSM – und diese Aufteilung kann sich wöchentlich oder auch im Verlauf der Tageszeit immer wieder ändern. Wie soll der Messtechniker entscheiden, ob die Grenzwerte bei der Familie XY jederzeit eingehalten werden ? Er müsste bei GSM und auch bei UMTS vom Messwert „hochrechnen auf die volle Gesprächsleistung“ – das ist nicht möglich, wenn die maximale  Leistung weder bei GSM noch bei UMTS  bekannt sind.

KristallkugelAbnahmemessung – lieber ganz darauf verzichten ?
Die Abnahme-Messungen sind verkommen zur Folklore, zum Ablenkungs-Ritual. Eine Messung sollte verifizieren, ob man den unsicheren Berechnungen trauen darf, welche ja keine Reflexionen, Hot Spots, und auch keine ungenau ausgerichtete Antennen, fehlerhafte Einstellungen der Sendeleistung etc. berücksichtigen. Die Messungen ihrerseits sind zu einem dichten Gestrüpp von Annahmen verkommen, sie sind nur möglich in Zusammenarbeit mit dem Betreiber, der eigentlich kontrolliert werden sollte. Der Betreiber kann das Messresultat selber beeinflussen. So ist die Aussagekraft der Abnahmemessungen bis zur Bedeutungslosigkeit zerflossen. Die folgende Liste zeigt, wie unzuverlässig und lächerlich das Prinzip der Abnahmemessung geworden ist:

Die Messgeräte müssten etwa 50 mal genauer sein, als es heute möglich ist, um zuverlässig zu unterscheiden zwischen erlaubten und verbotenen Immissionen.

Deswegen und zum Schutz der Mobilfunkfirmen darf der mögliche Fehler nicht zum Messwert dazugeschlagen werden: Das Messresultat wird nie mit einem Fehlerintervall angegeben, wie es sonst üblich ist in der ganzen technischen Welt.

Der Betreiber der kontrollierten Antenne teilt der Messequipe mit, wie gross die eingestellte Sendeleistung und die Vertikalwinkel sind. Der Operator am Computer kann andere Werte mitteilen, als sie tatsächlich eingestellt sind – und dadurch das Messresultat selber beeinflussen. Weder die Sendeleistungen noch die Vertikalwinkel sind im Internet online abrufbar, so dass keine unabhängige Messung mit Hochrechnung der Leistung möglich ist – alles zum Schutz der Mobilfunker.

Die neuartige seitliche Steuerung des Strahles verhindert eine sinnvolle Interpretation des Messresultates. Kurze Zeit nach der Messung kann die Situation schon wieder anders aussehen. Womöglich muss man sich hier zum dritten Mal auf eine Angabe des Betreibers verlassen.

Die variable, unbekannte Aufteilung der Sendeleistung auf unterschiedliche Technologien im selben Frequenzband erschwert die Hochrechnung des Messresultates auf die maximale Sendeleistung. Unterschiedlich Annahmen erlauben eventuell eine rechnerische Abschätzung, aber der Idee einer „Messung“ wird dadurch nicht gedient.

Im METAS-Bericht  Nr. 2102-218-808 wird erstmals abgeschätzt, wie LTE zu messen sei. Auf Seite 6/15 und 9/15 vernimmt man, dass das vorgesehene Messverfahren vom gesendeten Inhalt abhängig ist und bei „Multimedia Broadcast“ oder „Multicast Service“ weder die frequenzselektive noch die codeselektive Messung möglich ist. Hat man jetzt wieder die unschöne Situation, dass zur Messung extra ein Ersatz-Signal ausgesendet werden muss – was schon bei UMTS als unhaltbar erachtet wurde ? Man will ja die Realität messen, nicht eine Fiktion.

Kein Messtechniker darf je davon sprechen, dass diese grotesken Unsicherheiten jede Messung zweifelhaft oder wertlos machen – sonst verliert er sofort die staatliche Akkreditierung und damit alle zukünftigen Aufträge.

Die Mobilfunker bezahlen die Abnahmemessungen – und wählen auch die Messfirma selber aus (wenn Swisscom nicht gerade ihre eigenen Antennen ausmisst). Gefälligkeitsmessungen sind nicht ausgeschlossen – beide Teile leben gut damit. Würde der Kanton die Messfirmen beauftragen, so blieben letztere unabhängig, und der Wahrheit wäre besser gedient.

Mögliche Unsicherheiten rechnerisch abschätzen

Da die Abnahmemessung nicht dazu taugt, die Einhaltung der Grenzwerte zu verifizieren, bleibt nur noch eine Möglichkeit: Es ist zu fordern, anstelle der Messungen ein erweitertes Konzept der rechnerischen Unsicherheiten einzuführen. Bei sämtlichen Grössen, die in die Rechnung eingehen, ist neu abzuschätzen, mit welchem Fehler sie schlimmstenfalls behaftet sein können:

Welche  Vertikalwinkel sind bei allen Fehlern noch denkbar, wenn das Standortdatenblatt von „-6°“ spricht ? Wie gross kann die Sendeleistung maximal sein, wenn alle Unsicherheiten und Toleranzen in die ungünstige Richtung zeigen ?  Mit welchen Ungenauigkeit sind Höhendifferenzen, Distanzen und Winkel zwischen den Häusern und der Antenne behaftet ?

Bei allen Variablen ist stets der ungünstigste Fall anzunehmen – und damit ist die Strahlung zu berechnen. Man wäre dann wieder ungefähr beim ominösen „Faktor 2“ von Bundesrat Leuenberger, der damit den vielen Unsicherheiten Rechnung tragen wollte. Er hatte keinen Erfolg, der Widerstand der Mobilfunker war zu gross. Vielleicht lenken sie ein, wenn die Kantone und Gemeinden oder ein Gericht darauf beharren, dass die Gesetzeskonformität der Antennen zu beweisen sei – aber die Messungen nicht mehr anerkennen.

Weiterführende Links:

Seitliche Steuerung des Hauptstrahles, Beamforming:  http://www.emf-forschungsprogramm.de/akt_emf_forschung.html/dosi_HF_004_ZwB_01.pdf  (dort Bild 3.44)

Die Messgeräte sind viel zu ungenau:
https://www.gigaherz.ch/weiterhin-wahrsagen-und-kaffeesatzlesen-bei-abnahmemessungen-an-mobilfunk-basisstationen/
(dort am Schluss auch: keine Kritik an akkreditierten Messungen zulässig)

Simultane GSM- und LTE-Bereiche im 900 MHz-Bereich:  http://www.emitec-industrial.ch/fileadmin/files/produktemodul/industrial/feldstaerke_messtechnik/produktefotos/AN_HF_1062_D_LTE-Grundlagen_2013-03-20.pdf    (dort die oberste Abbildung, Bild 1)

Simultane GSM- und UMTS-Bereiche im 900 MHz-Bereich:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/UMTS-kann-im-900-MHz-Band-mit-GSM-koexistieren-178633.html

Datenblatt zur Antenne Kathrein 80012826: http://www.kathrein.com.br/imagem/download/80010826-10-7-2013-9-3-57-827.pdf

Von Hans-U. Jakob

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