Wer lügt denn da?
Wer lügt denn da?
J/G 25.1.04
Verwaltungsgerichte und Bundesgericht schmettern immer und immer wieder genüsslich und voll im Sinn der Wirtschaft, Klagen und Beschwerden ab, welche die um Faktor 100 zu hohen Schweizer Anlage-Grenzwerte (angeblich Vorsorsorgewerte) für nichtionisierende Strahlung als ungenügend und ungesetzlich taxieren.
Dabei nehmen die Richter gerne die Studie zur Hand welche Dr. Martin Röösli von der UNI Basel im Auftrag des BUWAL zu Handen des Bundesrates erstellt und im Sommer 2003 veröffenlicht hat.
Leider nehmen die Richter die Studie nur zur Hand, statt sie von A-Z zu lesen und zu würdigen.
Wir geben deshalb hier ein Interview wieder , welches die Basler-Zeitung vor einem Jahr mit Dr. Martin Röösli gemacht hat.
Entwarnungsmeldungen sind nicht angebracht
Ein Interview von Patrizia Derungs von der Redaktion der Basler Zeitung vom 27.2.03 mit Dr. Martin Röösli, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter am Basler Institut für Sozial- und Präventivmedizin.
Herr Röösli, Sie haben soeben im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit eine Fragebogenerhebung bei elektrosensiblen Personen abgeschlossen. Wie lauten die wichtigsten Resultate?
Wir stellen fest, dass viele Leute über Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche, Kopfweh, Gleichgewichtsstörungen und Schwindel berichten. Drei Viertel der Befragten geben an, erst seit wenigen Jahren unter solchen Symptomen zu leiden.
Glauben Sie den Leuten?
Die Leute leiden, das ist eine Tatsache, die man nicht diskutieren muss. Von der Studienanordnung her kann man jedoch nicht feststellen, ob dies von elektromagnetischen Feldern verursacht wird oder ob dafür andere Gründe vorliegen. Das heraus zu finden, war auch nicht das Ziel dieser Erhebung.
Und was war das Ziel?
Die Studie wurde erarbeitet, weil sich immer mehr Leute bei Kantons- und Bundesbehörden und anderen Anlaufstellen gemeldet und von gesundheitlichen Problemen berichtet haben. Bis anhin wusste man nicht, was zu tun ist mit diesen Leuten. Uns ging es in erster Linie darum, in einer landesweiten Umfrage ein Bild über die beklagten Gesundheitsprobleme zu bekommen. Wir stellen fest: Drei Viertel der Befragten gaben an, dass ihre Beschwerden durch Mobilfunkantennen verursacht werden. Auch wollten wir Hinweise darüber bekommen, wie man den Betroffenen helfen könnte.
Welche Verbesserungen sind vorgesehen?
Das ist noch unklar. Aber wir sehen, dass sich viele Leute überhaupt nicht ernst genommen fühlen: 85 Prozent sind sehr unzufrieden mit den Behörden, von denen sie keine Hilfestellung erhalten.
Sind die vielgelobten Schweizer Grenzwerte tatsächlich Schutzwerte oder sind sie das nicht?
Genau das ist jetzt die Frage, die es abzuklären gilt. Die Wissenschaft aber ist per se konservativ: Was nicht eindeutig bewiesen werden kann, gilt als unbewiesen. Das ist für viele Problemstellungen auch gut so, aber wenn es um Schadstoffe geht, die die ganze Bevölkerung treffen, ist dieses Prinzip problematisch. In diesen Fällen ist ein vorsorgliches Denken angebracht.
Sie haben eine zweite Studie im Auftrag des BUWAL erarbeitet, welche bereits vorliegende Studien analysiert (Metastudie). Was kam dabei heraus?
Derzeit liegen uns vor allem Laborstudien vor, bei denen man die Leute eine kurze Zeit elektromagnetischen Wellen ausgesetzt und nur gerade die unmittelbare Wirkung betrachtet hat. Diese Studien finden nur Dinge, die nicht gesundheitsschädigend sind, denn sonst dürfte man solche Studien gar nicht machen. Doch sie haben sehr klar gezeigt, dass sich die Hirnströme verändern. Es gibt wenig epidemiologische Studien (Studien über Krankheitsentstehung und -verlauf, Anm. d. Red.) . Das Problem hier besteht darin, dass man nicht weiss, wie stark die Leute im Verlauf des Tages magnetischen Feldern ausgesetzt sind. Studien, welche die Gesundheitseffekte an Menschen untersuchen, die in der Nähe von Antennenanlagen wohnen, gibt es noch keine.
Was bräuchte es denn, um diese Strahlenbelastung wissenschaftlich schlüssig untersuchen zu können?
Das Schwierige dabei ist, dass in zwei Ecken ein und desselben Raumes die Strahlung völlig unterschiedlich sein kann und der Mensch sich dauernd bewegt. Das erschwert Rückschlüsse auf die Stärke der Strahlenexposition sehr. Grundsätzlich wäre eine solche Studie schon möglich, aber sie wäre sehr aufwändig, und letztlich ist es eine Frage des Geldes. Kommt hinzu, dass gründliche Vorarbeit geleistet werden müsste, denn wir haben noch gar keine Studienmodelle, um so etwas zu untersuchen.
Wie steht es mit der derzeit heftig diskutierten Krebsgefahr?
Seriöse Aussagen darüber kann man erst in frühestens fünf Jahren machen, weil es etwa zehn Jahre geht, bis man dazu gültige Resultate hat. Entwarnungungsmeldungen bezüglich dieser Gefahr können also sicher nicht auf wissenschaftlichen Argumenten beruhen.
Zurzeit werden die meisten Antennenanlagen auf UMTS umgerüstet. Was weiss man über die Auswirkungen dieser Strahlung?
Wenig. Zum Teil liegen Zellversuche vor, aber epidemiologische Studien gibt es keine und experimentelle Studien auch nicht. Höchst bedenklich stimmt, dass der Bund an den UMTS-Konzessionen 20 Millionen Franken verdient, ohne aber ein Gefäss zu schaffen, mit dem er die Verantwortung übernimmt, die Gesundheitsrisiken dieser Technologie abzuklären.
Würden Sie mit Ihren Kindern in eine Wohnung ziehen, wo die schweizerischen Grenzwerte eingehalten, aber voll ausgenützt (6 V/m) sind?
Nein – wenn es sich vermeiden lässt, nicht.
Dazu ein Kommentar von Evi Gaigg
Man weiss also, dass Menschen, die in der Umgebung von Antennen leben, über die genannten Beschwerden klagen.
Was unbewiesen ist, gilt als nicht bewiesen. Man gibt zu, dass eine solche Denkweise für die Gesundheit problematisch ist und aus diesem Grunde Vorsorge angesagt wäre.
Es wurde eine Kurzzeitstudie durchgeführt, die eher als nicht gesundheitsgefährdend und in diesem Sinne als Alibistudie zu bezeichnen ist. Denn eine gesundheitsgefährdende dürfte man gar nicht machen. Ist auch nicht nötig, denn eine gesundheitsgefährdende Langzeitstudie findet ja gegenwärtig Flächen deckend an lebenden Menschen statt, die in einer nie gekannten Grosszahl als Gratis- Versuchskaninchen dienen.
Die Veränderung von Hirnströmen wurde festgestellt, aber weil man nicht sicher ist, in welchen Ecken und Winkeln einer Wohnung (eines Hauses) in welcher ev. wechselnder Stärke die Menschen traktiert werden, lässt man eine Schlussfolgerung lieber offen und tut sicherheitshalber gar nichts.
Weil eine solche Studie ausserdem Geld kosten würde, lässt man sie bleiben, denn das Geld soll nur in die Kassen der Betreiber fliessen und in jene des Finanzministers. Eine Ausgabe, die der Gesundheit und dem Schutz des Volkes dient, betrachtet man als Geldvergeudung.
Seriöse Aussagen über die Krebsgefahr kann man frühestens in fünf Jahren machen, weil es 10 Jahre dauert, bis es eindeutige Resultate gibt. Bis dahin lässt man es einfach drauf ankommen, wie viele Menschen mit der Gesundheit und dem Leben bezahlen.
Über die Gefährlichkeit der Strahlung von UMTS weiss man wenig. Der Bund verdient zwar Millionen an den Konzessionen, schafft aber kein Gefäss, das sich mit den möglichen Folgen beschäftigt.
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