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Salzburg: Strombarone und ihre Experten in „Lebensgefahr“ ?

Am schriftlichen Einspracheverfahren gegen die 113 km lange 380‘000Volt Höchstspannungsleitung von Kaprun bis St.Peter am Hall beteiligten sich über 10’000 Personen. Für die mündlichen Verhandlungen mit den Einsprechenden wurden vom 2-5. Juni volle 4 Tage, angesetzt. Um allen Betroffenen einen Sitzplatz zu garantieren musste  gleich die Salzburg-Arena angemietet werden.

von Hans-U. Jakob
Schwarzenburg, 10.6.2014

Als Terroristen verdächtigt
Für was die Projektierenden, die Austrian Power Grid und Salzburg Netz GmbH, die Einsprechendenden halten, wurde diesen gleich am Eingang zur Arena kund getan, nämlich für kriminelle Elemente und Terroristen. Wer an den Verhandlungen teilnehmen wollte, wurde durch Abtasten nach Waffen gefilzt, Taschen geöffnet und durchsucht, Personalausweise kontrolliert und registriert. Und das täglich.

Gleich zu Beginn kam es zu tumultartigen Szenen, weil den Einsprechenden nicht die gleiche Rechte, das heisst, nicht dieselben technischen Einrichtungen(Mikrophone usw.) zugestanden wurden wie den Projektverfechtern, sowie den Einsprechenden die Redezeiten eingeschränkt und Applaus verboten werden sollten. Der Präsident der IG Erdkabel, Theodor Seebacher wusste sich jedoch durchzusetzen. Nicht stattgegeben wurden den Ablehnungsanträgen gegen die Verhandlungsleitung, gegen einen Amtssachverständigen und einen Gutachter.

Mit dem Verbot von Film- und Tonaufnahmen, wurde die Öffentlichkeit von den Verhandlungen faktisch ausgeschlossen. Die Projektverfechter und ihre Experten wurden mehrmals ausgebuht und die Verhandlungsleiterin, Eva Hofbauer, Juristin des Landes Salzburg, hatte oft Mühe, die Ordnung wieder herzustellen.

Bei Gigaherz alles schon einmal dagewesen. Siehe inter:
https://www.gigaherz.ch/laengenberg-hochspannungsleitung-kommt-vor-bundes-verwaltungsgericht/

salzburgleitung-2Umweltanwalt Wolfgang Wiener hat gegenüber der Verhandlungsleitung vergeblich beantragt, den Gutachter Manfred Neuberger wegen fachlicher Unfähigkeit abzusetzen. Das Gutachten des Wiener Universitätsprofessors enthalte keine nachvollziehbaren Antworten. Wiener und die Bürgerinitiativen forderten an Stelle von Neuberger den Umweltmediziner des Landes Salzburg, Dr. Gerd Oberfeld wieder einzusetzen, dessen kritische Arbeiten nicht berücksichtigt worden war. (Quelle Salzburger Nachrichten vom 6.6.14)

Die NIS-Fachstelle von Gigaherz.ch wurde vorgängig der Verhandlungen von der Bürgerinitiative IG Erdkabel gebeten, zu den über tausend Seiten zählenden Umweltverträglichkeitsgutachten und Umweltverträglichkeitserklärungen der Experten von Austrian Power Grid schriftlich Stellung nehmen, um diesen nicht schutz- und machtlos ausgeliefert zu sein. Wegen dem riesigen Umfang musste man sich bei Gigaherz auf das Gebiet der elektromagnetischen Strahlenbelastung beschränken. Alle andern Gebiete, wie Landschaftsbildschutz , Ortsbildschutz, Grundwasserschutz usw. konnten ortsansässige kritische Fachleute besser beurteilen.

Kurze Zusammenfassung der Gigaherz-Kritik:
Den Anwohnern der Leitung wurde von den Projektierenden versprochen, die Leitungstrassee würde so geführt, dass die Grenzwerte der Schweizerischen Verordnung über Nichtionisierende Strahlung (NISV) mit maximalen Magnetfeldwerten von 1 Mikrotesla eingehalten würden.

Die Interpretationen der NISV Schweiz durch die APG-Gutachter liessen jedoch allerhand Zweifel darüber entstehen, ob sie diese Verordnung überhaupt jemals gelesen haben.

Folge: Eine lange Reihe von Falschbeurteilungen:
So wurde im humanmedizinischen Gutachten erklärt, dieser Grenzwert sei nur für Kinder und nicht für die Allgemeinbevölkerung gedacht.

Ein anderer behauptete, der 1-Mikrotesla Wert sei ein 24-Stunden Mittelwert, was wohl für Eisenbahnlinien zutrifft, niemals aber für Hochspannungsleitungen. Hier gilt, dass dieser Wert an allen Orten empfindlicher Nutzung zu jeder Zeit eingehalten werden muss.

Eine beliebte Verharmlosung bestand darin, zu behaupten die Schweizer NISV nehme als massgebenden Strom für die Berechnung des Magnetfeldes, einen Betriebsstrom, der nur 60% des maximal möglichen Stromes betrage, welchen die Leitung führen kann ohne Schaden zu nehmen. Dadurch verringert sich der radiale Abstand zur strittigen Leitung, bei welchem ein Magnetfeld von über 1 Mikrotesla entsteht, von 100 auf 75m.

Der Humanmediziner geht mit der Stromreduktion zur Berechnung des Magnetfeldes noch weiter, als seine 3 Kollegen, indem er behauptet, man dürfe den jährlichen Mittelwert mit 20% des Grenzstromes  einsetzen, was nach NISV Schweiz überhaupt nicht zutrifft. Hier gilt der thermische Grenzstrom, mit welchen die Leitung dauernd betrieben werden kann, ohne Schaden durch Überhitzung zu nehmen. Und das sind bei der Salzburgleitung 3400Ampère und weder 60 noch 20% davon.

Ein beliebtes Spielchen der APG-Experten war die Angabe der Magnetfeldwerte in % des Grenzwertes. Nur dass man dabei als Referenz den 100Mikrotesla-Wert der ICNIRP nahm, welcher bekanntlich nicht gegen Langzeitwirkungen schützt. 2-3% der Grenzwertausschöpfung nach ICNIRP wäre dann schon 2-3fache Grenzwertüberschreitung nach NISV Schweiz.

Dann wurde behauptet, als Orte empfindlicher Nutzung (OMEN) würden nach Schweizer NISV nur Wohnräume gelten. Was nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht zutrifft. Auch Innenraum-Arbeitsstätten, welche mehr als 800Stunden im Jahr oder 2.2Stunden am Tag besetzt sind, gelten als OMEN. Auf 365 Tage pro Jahr kommt man, weil auch landwirtschaftliche Innen-Arbeitsplätze, wie landwirtschaftliche Ökonomiegebäude (Viehställe) als Arbeitsplätze zu rechnen sind.

3 Gutachter wollen auf der Strecke von 113km nur gerade 7 OMEN gefunden haben, die näher als 100m an der projektierten Leitung liegen. Der technische APG-Gutachter dagegen, machte ihnen einen dicken Strich durch die Rechnung. Dieser fand immerhin 20 Wohnstätten und 20 übrige Gebäude, die näher als 100m an der Leitungsachse stehen. In den 20 übrigen Gebäuden befinden sich höchstwahrscheinlich Arbeitsstätten wie oben beschrieben.

Auf 113km nur 20 oder 40 OMEN näher als 100m an der Leitung?  Beides ist unglaubwürdig. In einem dicht besiedelten Bundesland wie Salzburg und Oberösterreich müssen wesentlich mehr als nur 40 Gebäude näher an der Leitungstrasse liegen. Abklärungen sind im Gange.

Was gar nicht akzeptiert werden kann, sind die in den APG-Gutachten gemachten Magnetfeldvergleiche mit Haushaltapparaten. So wird etwa behauptet, ein Elektroherd verursache ein Magnetfeld von 12Mikrotesla (!) Das stimmt schon, wenn man die Messsonde auf der Geräteoberfläche (Kochplatte) plaziert. Misst man jedoch dort wo sich Köchin oder Koch aufhält, nämlich 30cm vor der Herd-Vorderkante, sind es noch 0.2Mikrotesla. Auch der Staubsauger musste herhalten. Ein APG-Staubsauger verursacht gemäss Gutachten 71Mikrotesla (!) Geht man auch hier auf die Gebrauchsdistanz von 1m, sind es nur noch 0.2Mikrotesla.
Wir können den Gutachtern nicht einmal Betrug vorwerfen, denn sie haben ja deklariert, dass sie auf der Geräteoberfläche gemessen haben, statt auf Gebrauchsdistanz. Doch diese Deklaration befindet sich nicht bei der Vergleichstabelle, sondern ganz woanders im Text. So dass Otto Normalbürger diese kaum beachtet.

Dies nur eine kurze Auswahl aus einer langen Kritik die sich in den Gerichtsakten wieder finden wird.

Die Landeshauptfrau Stellvertreterin, Astrid Rössler erklärte, es werde jetzt kaum jemanden mehr geben, der diese Leitung als umweltverträglich einstufe. Sie wünsche sich ein moderneres zeitgemässeres Projekt, wo man sich ein Bisschen mehr getraue in Zukunfts-Technologien, sprich Erdverkabelungen zu gehen.

Franz Köck von der IG-Erdkabel gab bekannt, man werde bis vor den Verfassungsgerichtshof in Wien gehen. Und an den Fachstellenleiter von Gigaherz gerichtet: „Auf alle Fälle wären wir ohne deine Hilfe bei Weitem nicht so gerüstet gewesen und ich darf dir im Namen aller Kabelkämpfer grossen Dank aussprechen.

Sehen Sie dazu auch:
https://www.gigaherz.ch/hochspannunsleitung-wattenwil-muehleberg/
und https://www.gigaherz.ch/des-gartenzwerges-langer-schatten/

Von Hans-U. Jakob

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