Unkonsequente Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen
Den Beschwerdeführenden Recht gegeben – Beschwerde abgewiesen.
Von Hans-U. Jakob
Präsident von gigaherz.ch
Schwarzenburg, 20.8.2015
Den Beschwerdeführern sei zwar beizupflichten, dass die beanstandete Sendung nicht ganz ausgewogen war, indem die Redaktion einzig die deutsche Strahlenschutzkommission zitierte und keine Studien mit anderen Schlussfolgerungen berücksichtigte. So steht es im schriftlichen Urteil der unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen.
Das schriftliche Urteil wurde en Beschwerdeführenden am 14. August 2015 zugestellt. Die Verhandlung fand am Nachmittag des 5. Juni 2015 in Bern statt. Anwesend waren nebst einem Privatkläger 3 Vorstandsmitglieder von Gigaherz.ch
Aus der Vorgeschichte:
Radio SRF 2 Kultur strahlt von Montag bis Freitag jeweils zweimal täglich die Sendung „100 Sekunden Wissen“ aus. Gemäss Sendungsporträt wird jeweils ein Stichwort, eine Redewendung oder ein Begriff angeblich „pointiert und witzig“ erläutert. In der Sendung vom 23. Oktober 2014 ging es um den Begriff „Elektrochonder“. Zusammengesetzt aus Elektrosmog und Hypochonder
Mit Eingabe vom 15. Januar 2015 erhob der Verein Gigaherz.ch gegen die erwähnte Sendung Beschwerde bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI).
Mit der Begründung „Elektrochonder“ sei ein seit zehn Jahren bestehendes Schimpfwort welches von der interessierten Industrie gegen die Gruppe der Bevölkerung ins Feld geführt werde, welche sich gegen die zunehmende Verseuchung des Lebensraumes durch elektromagnetische Strahlung zur Wehr setze und gegen Menschen die bereits an gesundheitlichen Problemen, verursacht durch dieser Strahlung, leide .
Der Begriff diene dazu, betroffene Personen als psychisch gestört darzustellen und sie lächerlich zu machen. Mittels den von den Mobilfunk- und Stromnetzbetreibern finanzierten wissenschaftlichen Studien werde in allen verfügbaren Medien Mobbing gegen diesen Kreis der Bevölkerung betrieben.
In der Sendung „100 Sekunden Wissen“ vom 23. Oktober 2014. seien Menschen, welche unter Elektrosensibilität litten, pauschal als eingebildete Kranke abqualifiziert und entsprechend diskriminiert und der er aktuelle Wissensstand völlig einseitig dargestellt worden. Kritische und unabhängige wissenschaftliche Studien zur Elektrosensibilität seien erst gar nicht erwähnt worden, was für eine Wissenssendung, die informieren und aufklären sollte, stossend sei.
Wer das Urteil in seiner ganzen Länge von 11Seiten „geniessen“ möchte kann das hier tun.
http://www.ubi.admin.ch/x/b_704%20705.pdf
Wir begnügen uns hier vorerst einmal mit den schönsten Stellen daraus.
Originaltext in Schrägschrift. Kommentare in Normalschrift.
Anzumerken ist, dass längst nicht alle an der Verhandlung geführte Diskusionen im Urteil enthalten sind. Namentlich wurde im Urteil strickte darauf geachtet, die in der Klageschrift enthaltenen Namen des wegen Verleumdung vom Hamburger Landgericht am 13.3.2015 verurteilten Bremer Professors Alexander Lerchl von der privaten Jacobs-Universität und den Namen der Agentur Stephan und Heidrun Schall aus München, welche im Dienst der Mobilfunk- und Stromnetzbetreiber Auftragsmobbing und Auftrags-Rufmord betreibt, ja nicht zu erwähnen.
Macht nichts, denn der Kommission lag unsere Klageschrift im Klartext vor und sie musste, ob sie wollte oder nicht, sich mit diesen Namen befassen.
Aus den Erwägungen der Kommission
8.1 Die Beschwerdeführer rügen zusätzlich die Einseitigkeit der Sendung. Es sei einzig die Auffassung der deutschen Strahlenschutzkommission zitiert und diese als Mehrheitsmeinung dargestellt worden. Diese sei allerdings umstritten. Die Beschwerdeführer verweisen auf Vorfälle (gerichtliche Verurteilung) um ein langjähriges Mitglied des Ausschusses für nichtionisierende Strahlung, das teilweise auch Vorsitzender gewesen sei. Andere Ansichten zur Elektrosensibilität wie diejenige der Europäischen Umweltagentur, der Bioinitiative oder der Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz der Schweiz hätten nicht Eingang gefunden.
8.2 Den Beschwerdeführern ist zwar beizupflichten, dass die beanstandete Sendung nicht ganz ausgewogen war, indem die Redaktion einzig die deutsche Strahlenschutzkommission zitierte und keine Studien mit anderen Schlussfolgerungen berücksichtigte.
Man beachte wie der Bremer Professor und Ex-Vorsitzender mit Samthandschuhen angefasst wird. Noch interessanter dagegen sind die Ausflüchte, weshalb die Beschwerde trotzdem abgewiesen werde.
Da es sich aber nicht um eine Sendung mit einem direkten Bezug zu einer bevorstehenden Volksabstimmung handelte, war dies auch nicht zwingend erforderlich (Urteil 2C_139/2011 des Bundesgerichts vom 19. Dezember 2011 E. 3.3.1 [„Fokus“]). Es trifft überdies zu, dass die in der Sendung korrekt zitierte Auffassung der deutschen Strahlenschutzkommission vom 13. Mai 2008 die herrschende offizielle Meinung zu Elektrosensibilität auch in der Schweiz repräsentiert. Der Bundesrat hat in seiner bereits erwähnten Stellungnahme vom 20. November 2013 zu einer Motion über die Wirkung von nichtionisierenden Strahlungen auf den Bericht „Elektromagnetische Hypersensibilität“ des Bundesamts für Umwelt verwiesen, welches im Rahmen einer Bewertung von wissenschaftlichen Studien grundsätzlich zum gleichen Ergebnis wie die deutsche Strahlenschutzkommission gekommen ist (siehe vorne E. 6.2; vgl. auch Stellungnahme des Bundesrats vom 20. Mai 2009 zur Motion 09.3222 – Massnahmen bei Elektrosensibilität).
Dass der Bundesrat am 20.Mai 2009 die selbe Meinung vertritt wie die Deutsche Strahlenschutzkommission, verwundert Kenner der Szene keineswegs. Denn der offizielle Berater des Bundesrates in Sachen Nichtionisierender Strahlung, Prof Martin Röösli von der UNI Basel, ist ein altbewährter Seilgefährte des rechtskräftig verurteilten Bremer Professors und Ex-Vorsitzenden in der Deutschen Strahlenschutzkommission., sowie ein vehementer Verfechter von dessen Theorien.
Zu völlig unnötigen Diskussionen führte die Weigerung des Vereins Gigaherz.ch eine Liste mit 20 Unterschriften von Betroffenen Personen nachzureichen.
Aus den Erwägungen Punkt 2.2:
In ständiger Praxis räumt die UBI bei unvollständigen Laienbeschwerden den beschwerdeführenden Personen Gelegenheit zur Nachbesserung ein (Art. 52 Abs. 2 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren [SR 172.021]). Sie hat diese Möglichkeit auch den beiden Beschwerdeführern zugestanden und sie eingeladen, mindestens 20 Unterschriften und die notwendigen Angaben von die Beschwerde unterstützenden und legitimierten Personen nachzureichen, um damit die Voraussetzungen für eine Popularbeschwerde (Art.94 Abs. 2 und 3 RTVG) zu erfüllen. Die Beschwerdeführer b. 704 und b. 705 haben von dieser Gelegenheit aber keinen Gebrauch gemacht.
Gigaherz-Mitglieder genissen vollen Persönlichkeitsschutz
Wir haben die Weigerung, eine Liste mit 20 Unterschriften einzureichen indessen in unserer schriftlichen Replik vom 20.Mai 2015 hinreichend damit begründet, dass unsere Mitglieder den vollen Schutz ihrer Persönlichkeit geniessen und keinesfalls mit Namen und Adressen in eine Konzessionsbeschwerde einbezogen werden dürfen, da mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit diese Namen eher früher als später bei der Mobbing- und Rufmordagentur des Stephan und der Heidrun Schall in München auftauchen und im Internet aufs grässlichste verunglimpft würden. Diese Namensliste könne jederzeit durch Hacking oder Indiskretion eines Kommissionsmitgliedes in falsche Hände geraten.
Die Kommissionsmitglieder kamen zudem in unserer schriftlichen Replik, die ihnen in voller Länge vorlag, in den Genuss einiger schöner Musterbeispiele dieser Agentur. Alles schön mit Links abrufbar.
Nach der Hälfte der zur Verfügung stehenden Zeit wurde abgestimmt. 6 Mitglieder waren für ein Nichteintreten, 2 dafür. Dies um gleich nach der Abstimmung feststellen zu müssen, dass eine Stunde unnütz verplempert worden war, weil an der Beschwerde ein öffentliches Interesse bestand und diese infolgedessen behandelt werden musste. Ob das den 6 Ablehnenden nun passte oder nicht.
Anlässlich der letzten Vorstandssitzung des Vereins Gigaherz wurde auf einen Weiterzug an das Bundesgericht verzichtet.
Begründung: Das rechtliche Gehör wurde uns gewährt. Die Unausgewogenheit der beanstandeten Sendung wurde bestätigt. Die Glaubwürdigkeit der Deutschen Strahlenschutzkommission, resp. deren Ausschuss für Nichtionisierende Strahlung wurde in Frage gestellt.
Des Weiteren hat sich die Kommission mit der Mobbing- und Rufmordwelle befassen müssen, die zur Zeit gegen Elektrosmog-Betroffene und deren Schutzorganisationen, inszeniert und finanziert von der interessierten Industrie, durch die Medien, vor allem durch das Internet geistert. Ein öffentliches Interesse an der Sache wurde bestätigt, Kosten wurden keine erhoben. 2 Kommissionsmitglieder haben unsere Beschwerde gutgeheissen, 6 haben sich (noch) nicht getraut. Es dämmert langsam.
Link zum Lerchl-Urteil: https://www.gigaherz.ch/der-perfekte-bumerang/
Link zur Seilschaft: https://www.gigaherz.ch/die-anti-iarc/
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