230‘000Volt-Hochspannungsleitung Wattenwil Mühleberg – Das Urteil
Von Hans-U. Jakob, 28.1.2012
Weil sie die neue 230‘000Volt-Hochspannungsleitung buchstäblich über die Köpfe der Bevölkerung hinweg als Freileitung mit bis zu 88m hohen Masten geplant haben, statt die betroffenen Gemeinden und Anwohner entsprechend anzuhören und in die Planung mit einzubeziehen, gehen den Bernischen Kraftwerken jetzt 15 Jahre Planungszeit quasi den Rohrbach hinunter.
<<<Bild links: Teil der geschützten Landschaft in welcher die Leitung erstellt werden soll, von der Tavel-Gedenkstätte aus gesehen.
Das Bundes-Verwaltungsgericht hat mit Urteil A-3762/2010 vom 25. Januar 2012 den Baubeginn verweigert und die Projektanten zurück an den Start des Verfahrens beordert. Nachzuholen sind Projektvarianten über eine Erdverlegung der Leitung über insgesamt 19 von 32 km. Die Erdverlegungsstrecke beinhaltet 11km im BLN-Gebiet (Bundesinventar der Landschaften von nationaler Bedeutung) und ca. 8km in kantonalen Schutzgebieten. Letztere vorwiegend auf Boden der Gemeinde Köniz.
Da nach neuester bundesgerichtlicher Rechtsprechung (Fall Riniken) nicht nur Schutzgebiete selbst, sondern auch noch deren Randzonen als Erdverlegung zu gestalten sind, ist es schon fraglich ob die BKW nicht besser gleich alles unter die Erde verlegen würden. Die Hochspannungs-Bodenkabel haben in den letzten 10Jahren eklatante technische Fortschritte gemacht und sind massiv billiger geworden.
Als Haupt-Beschwerdeführende Nr.1 traten die IG-UHWM (Interessengemeinschaft Umweltfreundliche Hochspannungsleitung Wattenwil-Mühleberg) in welcher insgesamt 450 direkt betroffene Anwohner und 7 Gemeinden vereinigt sind, auf.
Als vehemente Gegner einer Bodenverlegung traten ihnen nicht nur die 2 Stromkonzerne BKW und Swissgrid mit ihren 68 Anwälten entgegen, sondern auch noch 2 Bundesämter (Bundesamt für Umwelt und Bundesamt für Energie). Und besondes stossend, zu allem Ueberfluss noch die Eidg. Natur- und Heimatschutzkommission, sowie die Verfasser eines sogenannten Umweltverträglichkeitsberichts (Fa. Sigamaplan)
Aufpolieren der Heiligenscheine
Das Bundes-Verwaltungsgericht ist in seinem 56-seitigen Urteil geradezu rührend darum bemüht, den arg angerosteten Heiligenschein der Eidg. Natur- und Heimatschutzkommission, die nachweislich die Region welche von der geplanten Freileitung arg zerschnitten wird, nicht ein einziges Mal besucht hat, wieder auf Hochglanz zu polieren.
Und die Firma Sigmaplan, habe nicht etwa ein Parteigutachten, sondern einen ernstzunehmenden Umweltverträglichkeitsbericht erstellt. Die diversen Mängel in diesem Bericht, wie 20m zu tief eingetragene Masthöhen, hätten ja, infolge der Interventionen der Beschwerdeführenden im Laufe des Verfahrens „geheilt“ werden können. So durch 2-malige Neuauflage des Projekts in 7 Gemeinden.
Ebenso wird das Bundesamt für Umwelt in Schutz genommen, welches die Geografie statt die Leitung umgestaltet hatte. So wurde aus der unbewohnten Ebene des Gürbetals plötzlich ein dicht besiedeltes Gebiet und aus dem Horn (Berg) bei Oberscherli ein tiefes Tobel. Und 13 Einzelhöfe zwischen Oberscherli und Niedermuhlern verschwanden kurzerhand von der Landkarte. Dies nur um einzelne der vielen Highlights zu nennen.
Die Kehrtwende
Die Beschwerdeführenden Nr. 1 wurden auf 50 Seiten des Urteils quasi als unglaubwürdig dargestellt.Umso erstaunlicher dann die Kehrtwende ab Seite 52, wo den Unglaubwürdigen plötzlich zu 75% recht gegeben wird und sie eine Entschädigung in der Höhe von 24‘000 Franken zugesprochen erhalten. Zu berappen durch die BKW.
Die Fr. 120‘000 welche die BKW als Entschädigung für ihre Kavallerie von 68 Anwälten von den Beschwerdeführenden ursprünglich gefordert hatten, dürfen sie nun selbst berappen.
Nicht besonders sorgfältig abgeklärt haben die Vergeber des Wakkerpreises (Schweizer Heimatschutz) den diesjährigen Preisträger für die Erhaltung schöner Ortsbilder. Sonst hätten sie merken müssen, dass die preisgekrönten Ortsbilder von Oberscherli, Mengestorf, Liebewil und Herzwil, alle in der Gemeinde Köniz, mit einer Höchstspannungsleitung mit 58 bis 82m hohen Stahlgittermasten bestückt werden sollten.
Der riesige, 2 Jahre dauernde Schriftwechsel mit dem Gericht, welcher bis zuletzt 6 Bundesordner füllte, blieb allein an der IG-UHWM resp. deren technischen Berater und deren beigezogenem Anwalt hängen. Die IG-UHWM musste mühsam jeden Rappen, insgesamt über Fr. 33‘000, bei ihren Mitgliedern und den angeschlossenen andern Gemeinden zusammenbetteln. Da wäre ein Wakkerpreis in der Höhe von Fr. 20’000 bei der IG-UHWM wohl besser angelegtes Geld gewesen. Was nicht ist, kann ja noch werden?
Ziemlich eigentümlich hat sich auch die Gemeinde Mühlethurnen benommen. Nachdem man die hässliche Leitung im Einvernehmen mit den BKW an die Gemeindegrenze zu Riggisberg hinauf verschieben konnte, hatte man für die IG-UHWM nur noch ein müdes Lächeln übrig.
Was machen jetzt die BKW und Swissgrid?
Die Konzerne können den Entscheid des Bundes-Verwaltungsgerichts an das Schweizerische Bundesgericht in Lausanne weiterziehen und nochmals 3 Jahre verbraten. Sollten Sie dort wider Erwarten Recht bekommen, können sie noch lange nicht mit dem Bau einer oberirdischen Freileitung beginnen, denn das Bundes Verwaltungsgericht, hat bei den bereits von zahlreichen Grundeigentümern unterschriebenen Durchleitungsverträgen deren Gültigkeit stark in Zweifel gezogen, da die Grundeigentümer möglicherweise arglistig getäuscht wurden. Ergo müssen die getäuschten Grundeigentümer, die heute das Durchleitungsrecht nicht mehr gewähren werden, ihrer Rechte enteignet werden. Ein Enteignungsverfahren über eine Strecke von ca. 12km, dürfte mindestens nochmals 10 Jahre dauern.
Das einzig Schlaue was Swissgrid und BKW in ihrer Situation jetzt machen können, ist, morgen Montag 4 kleine Tunnelbohrmaschinen bestellen.
Die technische Beratung der IG-UHWM erfolgte übrigens durch die Fachstelle Nichtionisierende Strahlung von Gigaherz.ch, der Schweizerischen Interessengemeinschaft Elektrosmog-Betroffener.
Für weitere Fragen: Tel 031 731 04 31 oder e-mail an prevotec@bluewin .ch
Weitere Infos auf /sortierung-der-truemmer/ und /auslaufmodell-hochspannungs-freileitung/
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