News

5G: Antennen mit Bagatellfehlern in Langenthal

Langenthal galt lange als die durchschnittlichste Ortschaft – Marketingleute haben hier Produkte getestet. Vielleicht haben wir hier auch die normalsten, durchschnittlichsten Fehler im Bewilligungsverfahren für neue Antennen ?

von André Masson
Langenthal, 10.7.2019

1. Seitensteuerung zwar möglich – aber hoffentlich machen sie es nicht!
Sunrise, Hinterbergweg, seit einem guten halben Jahr in Betrieb, ausgeschrieben schon 2014. Es sind neuartige Antennen, ein Doppelsystem, aber noch nicht 5G – erst der Seitenwinkel erlaubt ein schnelles Herumtanzen des Hauptstrahles, die Höhe noch nicht: Eine Art von 4 ½ G.

Die Ausschreibung erfolgte ganz normal, ohne Berücksichtigung der Seitensteuerung. Bereits bei unserer ersten Einsprache vom 1.5.14 wurde das Haus bezeichnet, bei dem die Grenzwerte wegen der Seitensteuerung überschritten werden: das ist nie beantwortet, nie als korrekt und nie als falsch bezeichnet worden. Fachstelle des Kantons damals, kurz und bündig: «Eine Seitensteuerung gibt es nicht». Briefe an ETH, BAFU zeigten: doch, eine Seitensteuerung ist möglich, das sprengt aber die Gesetzgebung. Macht nichts, die Anlage wird bewilligt. Weiterzug an die Baudirektion, die kommen in die Klemme und finden die salomonische oder eher Verzweiflungs-Lösung: «Vielleicht machen sie es ja gar nicht». Die Anlage wird bewilligt, und zwar ohne Verbot der Seitensteuerung – so können sie uns Fr. 5200.- abknöpfen, denn so haben wir verloren, obgleich ja alles richtig war. Auf Weiterzug wurde verzichtet, da auch beim Verwaltungsgericht nochmals die unbelehrbare Bernische Fachstelle das technische Urteil gesprochen hätte (verbindlich auch für das Verwaltungsgericht, wie schon bei der Baudirektion und bei der Stadt – von echter Instanzentrennung ist gar keine Rede!). Ist es auch eine Bagatelle, wenn die Rechtsprechung nicht mehr funktioniert ?

Am 10.4.2019 verkündet das BAFU nachträglich zu den steuerbaren Antennen, man solle weiterhin vorsichtig rechnen, d.h. auf der sicheren Seite bleiben – genau was man hier nicht gemacht hat. Eine kleine Bagatell-Ohrfeige für den Kanton: Auch nachträglich zeigt sich, dass die Fachstelle falsch lag. Zahlt uns der Kanton jetzt das Geld zurück, und verlangt er gar eine Reduktion der Sendeleistung, damit es keine Grenzwertüberschreitung gibt ? Nein, eine rechtskräftig erteilte Bewilligung könne nicht rückgängig gemacht werden, sagt die Fachstelle. Exakt das wäre möglich gewesen dank der ursprünglichen Auflage: «Liegen solche (d.h. neue Erkenntnisse) vor, besteht möglicherweise Anlass für eine Wiederaufnahme des Verfahrens oder eine Sanierung der Anlage». Dass eine Seitensteue­rung möglich ist, ist eine neue Erkenntnis für die Berner Behörden, aber die Fachstelle  will nicht, dass ihre Fehlleistungen offensichtlich werden.


2. Antennentypen: Anders realisiert als zuvor deklariert
Swisscom, Bahnhofstrasse: Infolge Aufstockung des Hauses wird die alte Anlage abgebrochen, ver­schoben, neu gerechnet. Montiert werden aber ganz andere Antennen als im Standortdatenblatt ausgewiesen. Fachstelle des Kantons: Das sei bloss eine Bagatell-Aenderung.

Diese neuen 5G-Antennen haben aber ein anderes Abstrahlverhalten als die ursprünglich geplanten. Also Bleistift gespitzt, Rechner zur Hand, die verwechselten Antennendiagramme ausgemessen und für den Punkt mit der höchsten Prognose neu gerechnet – ergibt für OMEN Nr. 4 (statt bisher 4.94 V/m) jetzt neu 5.8 V/m. Eine Bagatelle, nur wenig mehr als im Baubewilligungs­verfahren behauptet, nur ein bisschen mehr als erlaubt. Statt unter der Limite jetzt darüber – aber es gibt kein Verfahren mehr, man kann sich nicht mehr wehren. Ein Bagatellchen bloss, seid nicht so heikel! Die Antennen müssen eben gebaut werden, Swisscom will es so.

OMEN 4 ist nicht in einer Wohnung, sondern in einem noch nicht gebauten Haus, in der Luft gewissermassen im 3. OG. Die bewohnten Orte werden nicht über die Limite kommen, wenn man mit der eingesetzten Antenne rechnet. Aber in wie vielen anderen Dörfern landauf, landab betreffen diese all diese Bagatell-Gesetzesverletzungen wirkliche Wohnzimmer, Schlafzimmer, Arbeitsplätze ? Es ist schon immer bis zu 4.99 V/m ausgenützt worden, jetzt liegt halt schon die kleinste Erhöhung durch Strahlsteuerung jenseits des Erlaubten. Bagatelle! Wir können doch nicht Hunderte von Verfahren neu aufrollen… Swisscom sieht das nicht gern.

3. Jahrelang ganz verkehrt
Sunrise, Kühlhausstrasse, heute abgebrochen. Eine provisorische Antenne war das, 2 ½ Jahre lang strahlte sie in total verkehrte Richtungen – es war fast nicht mehr möglich, die Falschheit im Winkel anzugeben, denn man kommt bereits dem nächsten Sektor in die Quere. Es war ungefähr so falsch, wie wenn jede Einzelantenne gegenüber dem bewilligten Wert um 180° hinten hinaus gestrahlt hätte. Und niemand merkt das, kein Amt, keine Fachstelle, nicht einmal das ominöse  Qualitäts­sicherungssystem – ist das auch eine Bagatelle ? Eher nicht, denn die  Abstrah­lungs­winkel sind noch kurz vor dem Abbruch richtiggestellt worden.

4. Numme nid Gschprängt!
Oft sollen Messungen entscheiden, ob die Rechnungen richtig waren, sobald nämlich die Prognosen auf über 80% der gesetzlichen Limite kommen. Wie sollen die Abnahme-Messungen funktionieren, wenn der Hauptstrahl oder die Hauptstrahlen wild herumtanzen ? Hier klemmt’s beim BAFU auf Bundes­ebene, nicht beim Kanton. Landauf, landab wird bewilligt und gebaut, aber wie gemessen werden soll, weiss noch niemand. Für UMTS (= 3G) findet man beim BAFU erst einen «Entwurf vom 17.9.2003» für eine Messempfehlung, für 5G noch gar nichts. Das Rechtswesen kommt nicht mehr mit, bewilligt und gebaut wird aber trotzdem.

Vor über fünf Jahren wurde am Hinterbergweg in Langenthal gerügt, dass es für tanzende Strahlen keine Spielregeln gibt – die gibt es immer noch nicht, aber die Antennen strahlen munter in die Quartiere. Das kantonale Baurecht wird sonst sehr pingelig umgesetzt, aber für die Antennen gilt das leider nicht, da ist vermutlich zu viel Geld im Spiel.

Von Hans-U. Jakob

Kommentare sind ausgeschaltet