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5G: Ueberforderte Baubewilligungsbehörden

Es ist landesweit das erste mal, dass eine Baubewilligungsbehörde dermassen offen und ehrlich zugibt, von Funktechnik und deren Grenzwerten keine Ahnung zu haben. Alle andern Behörden tun nur so als ob und schreiben dann einfach ein paar ihnen brauchbar scheinende Sätze aus dem Argumentarium der Swisscom ab. Meistens jedoch die falschen. Was übrigens durch alle Instanzen hindurch, bis und mit Bundesgericht zu beobachten ist.

Von Hans-U. Jakob (Gigaherz.ch)
Schwarzenburg 25. August 2023

Die ehrlichste Baukommission
Die Baukommission Rüeggisberg BE schrieb kürzlich  in ihrer Stellungnahme zu einer Reihe von Einsprachen gegen eine Mobilfunk-Sendeanlage in verblüffender Ehrlichkeit, Zitat: Für die Baukommission ist die Überprüfung der Einsprachen zu komplex. Sie vertraut auf den Bund bei der Festlegung der gesetzlichen Strahlungs-Grenzwerte, bei deren Einhaltung keine gesundheitlichen Risiken für die Bevölkerung ausgehen sollten. Die Baukommission vertraut auch auf die Swisscom (Schweiz) AG, dass die Grenzwerte denn auch eingehalten werden. Ende Zitat.


Bild oben: Rüeggisberg Dorfzentrum. Hier ist die ehrlichste Baukommission der Schweiz zu hause.

Auch wenn es an und für sich ein Skandal ist, wie hier eine gut fundierte Einsprache abgeschmettert werden soll, muss man sich bei der Baukommission von Rüeggisberg für ihre Ehrlichkeit direkt bedanken. Das würde allen übrigen Baubewilligungsbehörden der Schweiz auch wohl anstehen. Denn diese verstehen von Mobilfunktechnik, wie nachfolgende Beispiele aufzeigen, garantiert auch nicht mehr als die Rüeggisberger!

Die hilfloseste Baukommission
Ganz anders reagierte vor Jahresfrist die zuständige Hochbau- und Planungskommission Schwarzenburg auf eine Reihe fundierter und mit viel Beweismaterial versehenen Einsprachen.
Die Kommission weigerte sich kurzerhand die Einsprachen anlässlich einer Kommissionssitzung zu behandeln und schrieb ganz einfach, Zitat:Buchstabengetreu): Da die Baubehörden nicht über das Fachwissen verfügt, um die Datenblätter zu überprüfen wurde das Baugesuch an das Amt für Umwelt und Energie, Abteilung Immissionsschutz zur Stellungnahme weitergeleitet. Der Fachbericht liegt vor.
Der Einsprachepunkt wird als öffentlich-rechtlich unbegründet beurteilt.
Ende Zitat.
Frage: Wenn die Hochbau- und Raumplanungskommission schon offiziell zugibt, nicht einmal über das minimal nötige Fachwissen zu verfügen, um die Standortdatenblätter zu prüfen, die das Fundament jedes Antennenbaugesuchs bilden, dann sei die Frage erlaubt, wie dann diese Kommission feststellen kann, ob ein Fachbericht glaubhaft ist und ob ein Einsprachepunkt öffentlich-rechtlich unbegründet ist….

Ignoriert: Auf die den Einsprechenden zustehenden Schlussbemerkungen wurde von der Hochbau- und Raumplanungskommission gar nicht erst eingetreten. Mit der Begründung, Zitat  (Buchstabengetreu): In der Schlussbemerkung wurden haltlose Vorwürfe gegen Behörden und Verfahrensbeteiligten vorgebracht. Gestützt auf Art 33 VRPG auf die Schlussbemerkungen nicht eingetreten, da die Eingabe Anstand und Respekt vermissen lässt. Ende Zitat.
Kommentar: Der Hochbau und Raumplanungskommission scheint es nicht nur an fehlenden Kenntnissen in der Funktechnik zu mangeln sondern auch noch an Kenntnissen in der deutschen Grammatik.
Auch hier sei die Frage erlaubt, wie die Hochbau- und Raumplanungskommission, der nach ihren eigenen Angaben die Grundkenntnisse in der Funktechnik fehlen, feststellen will, ob Vorwürfe gegen Behörden und Verfahrensbeteiligte haltlos oder sogar respektlos sind?
Die nächste Instanz, das Rechtsamt der Bau- und Verkehrsdirektion (Regierungsrat) sah das auch so und hat dann, weil sich der Vorsteher der Hochbau- und Raumplanungskommission weiterhin weigerte, seine Arbeit zu machen, die Behandlung der Einsprachen und Repliken gleich selber an die Hand genommen. Der Vorsteher in Schwarzenburg hat unterdessen seinen Rücktritt angekündigt.

Regierungsstatthalterämter sind auch nicht besser
Dort wo die Bauverwaltungen der Gemeinden nicht selber über Baugesuche entscheiden, weil sie über keinen «studierten» Bauverwalter verfügen, entscheiden im Kanton Bern die Regierungsstatthalterämter über Baugesuche.
Dort sieht es jedoch punkto Fachwissen in der Funktechnik nicht etwa besser aus. Ganz im Gegenteil.

In den Baukommissionen der Gemeinden besteht immerhin noch die Chance, dass vielleicht ein Kommissionsmitglied hauptberuflich einen technischen Beruf ausübt und noch Hochfrequenz von Hochspannung und Megahertz von Megawatt unterscheiden kann. Aber auf den Bernischen  Regierungsstatthalterämtern, da sieht es dann ganz düster aus.
Damit diese in ihren Abschmetterungen von Baueinsprachen gegen Mobilfunk-Sendeanlagen nicht weiterhin weiteren  Blödsinn schreiben, schickt ihnen die zentrale Geschäftsstelle der Regierungsstatthalterämter laufend fertige Textkonserven zu, die sie dann nur noch einzufügen haben. Eine davon lautet zur Zeit, Zitat: Das Konzept der NISV hält sich gemäss Bundesgericht an den von Art.13 USG vorgezeichneten Rahmen und trägt dem in Art.1 Abs.2  und Art 11 Abs.2 USG statuierten Vorsorgeprinzip Rechnung. Sowohl die in Anhang 2 NISV festgesetzten IGW als auch die in Anhang 1 NISV aufgestellten AGW erachtet das Bundesgericht als verfassungs- und bundesgerechtskonform. Mobilfunkanlagen sind demnach zu bewilligen, wenn die in Anang 1 Ziff.64 lit c NISV festgelegten AGW an allen Orten mit empfindlicher Nutzung (OMEN) und an allen Orten für den kurzfristigen Aufenthalt von Menschen (OKA) eingehalten werden. Ende Zitat

Tragisch, tragisch wenn sich die Amtsjuristen selbst derart in ihrem Juristengeschwurbel verheddern, dass jetzt plötzlich an allen OKA auch die angeblich 10mal schärferen AGW gelten. AGW heisst ja bekanntlich Anlagegrenzwert und dieser soll ja bekanntlich lediglich der Vorsorge dienen.

Auch auf dem Amt für Gebäudeversicherungen werden offensichtlich blindlings Textkonserven verschickt, ohne die Projektpläne nur jemals angeschaut zu haben. Für das Projekt einer Mobilfunk-Sendeanlage an der Schänzlistrasse in Bern verlangte das Amt mittels Amtsbericht gegen Gebühr von Fr. 200.-, dass der Sendemast sinnvollerweise mit einem Blitzableiter versehen werden müsse. Das Dumme an der Sache war nur, dass die Antennenkörper gar nicht auf einem Mast montiert werden sollten, sondern in Estrich drinnen unter dem Dach. Mit Ersatz der tönernen Dachziegel gegen solche aus strahlendurchlässigem Kunststoff.

Die faulsten Amtsberichte kommen wohl aus dem Amt für Gemeinden und Raumordnung des Kantons Bern, welches für Mobilfunk-Sendeanlagen ausserhalb von Bauzonen jeweils eine Sonderbewilligung zum Bauen ausserhalb des Baugebietes erteilen muss. Hiezu gibt es eine oft gesehene Textkonserve die lautet: «Unsererseits steht dem Projekt nichts entgegen, falls es dann Einsprachen geben sollte, werden wir das Projekt nochmals prüfen».

So geht das weiter und weiter mit Blödsinn abschreiben bis hinauf zum Bundesgericht.

Am 14. Februar 2023 wurde vom Bundesgericht das angebliche Grundsatzurteil 1C_100/2021 zum Fall Steffisburg gefällt. Darin versuchen 5 Bundesrichter in den Erwägungen Punkt 5.5.1 den oxidativen Zellstress auf haarsträubendste Art herunterzuspielen. Aus den BERENIS-Studien zum oxidativen Stress, also zum beginnenden Krebs, lasse sich nicht ableiten, Zitat: ob damit auch langfristige oder gesundheitsschädliche Wirkungen für den Menschen verbunden seien. Ende Zitat.
Aus dem Anfangsstadium von Krebs lasse sich nicht ableiten, ob damit längerfristig gesehen, gesundheitsschädigende Wirkungen zu erwarten seien.(!?)
Abgeschrieben haben die Bundesrichter diesen Unfug, offensichtlich ohne ihr eigenes Gehirn einzuschalten, einem Amtsbericht des Bundesamtes für Umwelt (BAFU).
Eigentlich hätten die 5 Koryphäen schon recht. Denn beginnender Krebs heisst längerfristig meistens Tod. Und tote Menschen haben juristisch gesehen keine gesundheitsschädigenden Wirkungen mehr zu befürchten  sondern einfach nur tot zu bleiben! Ist doch logisch oder?

Das bundesgerichtliche Sicherheitssystem

Das Sicherheitssystem welches der Bevölkerung angeblich garantiert, dass die in einer Baubewilligung festgeschriebenen fernsteuerbaren Sendeparameter einer Mobilfunk-Sendeanlage, wie Sendeleistungen, vertikale Senderichtungen , Frequenzbereiche , Reduktionsfaktoren, Leistungsbegrenzungen usw, nie übersteuert werden, und somit die Strahlungsgrenzwerte angeblich immer und überall eingehalten sind, besteht zur Zeit aus 2 Arten von (elektronischen) Postkarten.
Die Mobilfunkbetreiber senden alle 2 Wochen eine (elektronische) Postkarte an das Bundesamt für Kommunikation in Biel mit einer Liste von Sendeparametern von neu in Betrieb genommenen Anlagen und von allfälligen Mutationen (Updates) von bestehenden Anlagen.
Die Mobilfunkbetreiber senden alle 2 Monate eine (elektronische) Postkarte an jedes kantonale oder städtische Umweltamt mit einer Liste der Antennen, auf welchen sie während der letzten 2 Monate die bewilligten Sendeparameter wann und wo und um wieviel, nicht eingehalten hätten.
Eine direkte Einsichtnahme in die in den Steuerzentralen eingestellten Sollwerte und in die vor Ort auf den Antennenanlagen gefahrenen Istwerte besteht weder für das BAKOM noch für die kantonalen, noch für die städtischen Volzugsbehörden.
Die Vollzugsbehörden haben einzig Einblick in die vom BAKOM auf Grund der eingegangenen Postkarten nachgeführten Listen.

Das ist der Stand der Dinge, mit welchem sich  das Bundesgericht in seinem Urteil zum Fall Steffisburg zufrieden zeigte. Urteil 1C_100/2021 vom 14.Februar 2023.

Hier die Erkenntnis unserer 5 Sicherheitsspezialisten in Lausanne:
Aus den Erwägungen 9.5.5, Zitat: Das BAFU hält in seiner Vernehmlassung schliesslich fest, es könne nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass die Abnahmemessungen und die Kontrollen durch die QS-Systeme aufgrund unrichtiger Angaben oder Manipulationen der Betreiberinnen verfälscht würden. Jedoch führt das BAFU ebenso aus, dass das bei Mobilfunkanlagen angewendete Kontrollinstrumentarium (Dokumentation und Überprüfung der rechnerischen Prognose mithilfe des Standortdatenblatts, Vornahme von Abnahmemessungen und laufende Betriebskontrollen mittels QS-System) aus seiner Sicht sehr gut ausgebaut sei. Es stelle mit zumutbarem Aufwand sicher, dass Mobilfunkanlagen rechtskonform bewilligt und betrieben würden und sowohl die Betreiberinnen im Rahmen ihrer Eigenverantwortung als auch die Vollzugsbehörden Fehler und andere Abweichungen entdeckten und solche schnell korrigiert würden.
Die bereits erwähnte schweizweite Kontrolle (vgl. oben E. 9.4) wird zeigen, ob die QS-Systeme ordnungsgemäss funktionieren. Im heutigen Zeitpunkt besteht nach den obigen Ausführungen und mit Blick auf die Vorbringen der Beschwerdeführenden keine Veranlassung, die Tauglichkeit der QS-Systeme zu verneinen.
Ende Zitat.
Unsere Erkenntnis: Die Betreiberinnen stellen mit zumutbarem Aufwand im Rahmen ihrer Eigenverantwortung sicher, dass sie ihre Fehler selber entdecken und schnell korrigieren. Wie hoch die Eigenverantwortung eines Grosskonzerns einzuschätzen ist, hat der Diesel-Skandal bei VW eindrücklich aufgezeigt.
Und wie hoch der Aufwand für die Mobilfunkbetreiber tatsächlich ist, hat das hohe Gericht auch nicht interessiert. Dieser beträgt, dank Automatisierung unseres Erachtens jährlich weniger als Fr. 1000.- Das macht beim letztjährigen Reingewinn der Swisscom von 860 Millionen und einem Aufwand von Fr. 860.- pro Jahr gerade mal 1 Promille eines Prozentes des Jahresgewinnes aus. So viel ist also dem Bundesgericht die Gesundheit der Bevölkerung wert! Das ist haarsträubend.
Gegen dieses unakzeptable Bundesgerichtsurteil sind bereits Wiedererwägungsgesuche und Revisionsbegehren am Laufen.

Von Hans-U. Jakob

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