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5G: Uebung bitte sofort abbrechen

11 sistierte Baubeschwerden auf dem Verwaltungsgericht und 30 weitere Sistierte auf der nächst unteren Instanz, der Bau- und Verkehrsdirektion, haben den Bau von Mobilfunkantennen im Kanton Bern praktisch zum Erliegen gebracht. Dieser gigantische Stau dürfte sich so schnell nicht auflösen.

Von Hans-U. Jakob (Präsident von Gigaherz.ch)
Schwarzenburg, 3. Juni 2021

Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern sistiert zur Zeit alle 11 bisher eingereichten Beschwerden gegen Baubewilligungen für adaptive 5G-Sendeanlagen. Sistieren heisst auf Eis legen und auf das erste Bundesgrichtsurteil in dieser Sache warten. Während der Sistierung darf nicht gebaut werden.
Das Bundesgerichtsurteil, auf welches die 3 Berner Verwaltungsrichter warten betrifft ein von ihnen gefälltes, angebliches Grundsatzurteil zu einer 5G-Anlage in Steffisburg, welches an das Bundesgericht weitergezogen wurde und nun von diesem entweder bestätigt oder abgewiesen werden soll. Auf dem Bernischen Verwaltungsgericht erhofft man sich, dereinst auf diese Weise alle 11 hängigen Beschwerden mit einem Wisch erledigen zu können. Damit dürften sich die 3 Herren unseres Erachtens so oder so getäuscht haben.

Kein Grundsatzurteil

Betrachtet man nämlich das ans Bundesgericht weitergezogene angebliche Grundsatzurteil, wird dem Fachmann oder der Fachfrau sofort klar, dass es sich hier viel mehr um ein kolossales Fehlurteil, als um ein Grundsatzurteil handelt. Denn die 3 Verwaltungsrichter sahen sich infolge fehlendem Fachwissen in Sachen nichtionisierender Strahlung genötigt, auf das sogenannte antizipierte Beweisverfahren zurückzugreifen. Das antizipierte Beweisverfahren ist ein Verfahren, welches den Behörden gestattet, nur diejenigen Beweismittel zu würdigen, die ihrer vorgefassten oder der ihr vorgegebenen Meinung entsprechen. Mit diesem Verfahren, welches doch sehr an totalitäre Staaten wie etwa China, Russland, Belarus und Burma erinnert, wurde jedes der sehr umfangreichen Beweismittel der Beschwerdeführenden kurzerhand mit dem lapidaren Satz abgetan: «Es besteht kein Anlass, von der Einschätzung der Fachbehörde abzuweichen, wonach die Grenzwerte voraussichtlich eingehalten werden.»
Mit Fachbehörden, sind hier kantonale NIS-Fachstellen gemeint. Im Kanton Bern ist dies die Fachstelle Immissionsschutz des kantonalen Amtes für Umwelt. Quasi ein Einmannbetrieb dessen Stelleninhaber weisungsgebunden ist, und genau das verkünden muss, was ihm seine (wirtschafts-) politischen Vorgesetzten vorgeben. Ansonsten ihm seine Beförderung gewiss ist. Nicht aufwärts, sondern seitwärts, das heisst hinaus.
Solchermassen geführte Beweisverfahren bieten aber jede Menge Angriffspunkte für einen erneuten Weiterzug ans Bundesgericht. Besonders deshalb, weil keine Anlage identisch mit anderen ist und infolge dessen immer wieder neue Schwachstellen gefunden werden können.

Der Stau am Verwaltungsgericht breitet sich nach unten hin aus. Nämlich an die nächst tiefere Instanz, die Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern, unter Regierungsrat Christoph Neuhaus (SVP).Hier sind laut Verfügung Nr. 110/2021/56 Kap.5 aus dem selben Grund wie beim Verwaltungsgericht, bereits 30 Verfahren sistiert worden.
Mit den 11 sistierten Fällen beim Verwaltungsgericht sind das allein im Kanton Bern 41 blockierte Verfahren, die auf ein fragwürdiges Bundesgerichturteil warten. Das heisst, im Kanton Bern ist der Bau von Mobilfunkantennen praktisch zum Erliegen gekommen.
Rechnet man anhand der Einwohnerzahl und der politischen Zusammensetzung der Bevölkerung diese 41 blockierten Baubewilligungen auf die gesamte Schweiz hoch, kommt man locker auf insgesamt 400.

Bis sich dieser gigantische Stau aufgelöst hat, das heisst 400 Verfahren vom Bundesgericht beurteilt worden sind, dürfte es 5 bis 8 Jahre dauern. Denn die Beschwerdeführenden sind nicht irgendwelche vereinzelte «Querulanten» sondern grosse ad hoc gebildete Gruppierungen von Anwohnern die hart entschlossen sind, den Rechtsweg voll auszuschöpfen und dazu das nötige Kleingeld bereits in der Spenden-Kasse haben.

Der Verein Gigaherz hat deshalb am 2. Juni folgenden Aufruf an die National-und Ständeräte geschickt:

1) Bitte begreifen Sie endlich, dass die Schweizer Bevölkerung 5G nicht haben will und brechen Sie die 5G-Übung unverzüglich ab.

2) Bezahlen sie den Mobilfunkbetreibern die Konzessionsgebühren von 380 Millionen zurück.

3) Untersagen Sie per Gesetz jegliche weiteren 5G-Bauvorhaben und sorgen Sie dafür dass bereits ausgeführte zurückgebaut werden!
Ende des Aufrufs.

Ein weiteres Desaster in diesem Zusammenhang

Bereits Ende März 21hat der Verein Gigiherz, handelnd durch seine Vorstandsmitglieder beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern für die 3 Richter, welche das Steffisburger-Urteil «verbrochen» haben, für alle weiteren Mobilfunk-Fälle ein Ausstands- oder Ablehnungsbegehren mit folgendem Wortlaut gestellt:
Zitat: In Folge fehlendem Fachwissen in Sachen Funktechnik im Besondern über Mobilfunk und erst recht über den neuen Mobilfunkstandart 5G, griff das Richtergremium im Fall Steffisburg auf das obgenannte antizipierte Beweisverfahren zurück, welches dem Gericht erlaubt, die Beweismittel der Beschwerdeführenden nicht weiter zu untersuchen, sondern sich nur noch auf solche zu verlassen, die auf eine vorgefasste Meinung passend erscheinen.
So ist in den Erwägungen unter Punkt 4.4 zu lesen: Zitat: Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführenden keine Anhaltspunkte für eine in hauptsächlicher Hinsicht fehlerhafte oder sonstwie rechtlich unzulässige Immissionsprognose vorbringen. Folglich besteht kein Anlass, von der Einschätzung der Fachbehörde abzuweichen, wonach die Grenzwerte voraussichtlich eingehalten werden.
Nachdem im Fall Steffisburg dem Verwaltungsgericht zu diesem Punkt gleich seitenweise, sicher über 10 Seiten an Beweismaterial vorgelegt worden ist, welches entweder nicht verstanden oder nicht verstanden werden wollte, beantragen wir, dass für solche Fälle das Richtergremium ausgewechselt wird. Mit dem Versenden des Steffisburger-Urteils in verschiedenen anderen Beschwerdeverfahren, unter gleichzeitiger Aufforderung die Beschwerde zurückzuziehen, hat das Richtergremium unseres Erachtens zudem erneut seine Voreingenommenheit demonstriert. Ende Zitat

Rund einen Monat später hatte der Verein Gigaherz Gelegenheit, seinen Standpunkt in einer Replik nochmals zu vertiefen:

Zitat: In Sachen Mobilfunk ist das schweizerische Rechtswesen völlig krank. Es urteilen über alle Instanzen, bis hinauf zum Bundesgericht Leute, die von Funktechnik, Biologie und Medizin gelinde gesagt keine Ahnung haben. Es ist deshalb für kantonale und eidg. Umweltämter, die gegenüber ihren politischen Vorgesetzten weisungsgebunden sind und erst recht für die Mobilfunkbetreiber selbst, ein leichtes Spiel, den Gerichtsinstanzen jeden nur erdenklichen technischen Unsinn aufzutischen.
Richterinnen und Richter sind aufgefordert, sich auf diesem Fachgebiet soweit weiterzubilden, dass sie zumindest erkennen können, wann sie angelogen werden und nicht mehr länger auf das antizipierte Beweisverfahren zurückgreifen müssen.
Sprüche wie, «folglich besteht kein Anlass, von der Einschätzung der Fachbehörde abzuweichen, wonach die Grenzwerte voraussichtlich eingehalten werden.»  haben keinen Platz mehr in Mobilfunk-Urteilen. Mobilfunk-kritische Organisationen verfügen heute über bessere Fachleute als die sogenannten Fachbehörden. Ergo ist deren Ausführungen mindestens dasselbe Gewicht beizumessen.

Am 13.Mai ist beim Gigaherz-Präsidenten ein riesiges eingeschriebenes A4-Kuvert angekommen mit gerade mal 3 Blättern mit folgendem Zwischen-Entscheid darin:

1) Das Ausstandsbegehren gegen 3 Verwaltungsrichter wird vom Verwaltungsgericht gleich selber behandelt. Da untersucht eine Einzelrichterin gegen ihre älteren Kollegen. (!?)

2) Das Ausstandsbegehren sei zu spät eingetroffen. Was gar nicht stimmt. Unsere Postquittung sagt etwas anders als die Verwaltungsrichterin.

3) Fehlurteile von Richtern seien noch kein Grund für ein Ausstandsbegehren in weiteren Fällen. (das könne ja mal passieren)

Die Vorstandsmitglieder von Gigaherz.ch haben beschlossen, diesen Zwischenentscheid jetzt noch an das Bundesgericht zu bringen. Obschon wenig Chancen auf Erfolg bestehen, dass Bundesrichter so direkt gegen ihre Kollegen Verwaltungsrichter entscheiden, soll uns das Bundesgericht klipp und klar sagen was man dort von diesem Desaster hält und ob dieses im Schweizer Baurechtswesen weiterhin Bestand haben soll oder nicht.
Wir warten gespannt auf die Ansicht der Schweizer Bundesrichter und Bundesrichterinnen. Diese dürfte für alle weiteren Fälle so oder so interessant sein.

Von Hans-U. Jakob

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