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Nationalrat unter Strom

Die Debatte über den Um- und Ausbau der Stromnetze fand im Nationalrat ziemlich überraschend bereits am 29. Und 30. Mai statt.

Berichterstatter: Hans-U. Jakob, Präsident von Gigaherz.ch
Schwarzenburg, 6.6.2017

Im Gegensatz zu der vorberatenden Kommission des Ständerates, welcher das Gesetz als Erstrat behandelt hatte, wurden weder wir als Fachkundige noch andere Vertreter der Anwohner von Hochspannungsleitungen angehört. So blieb uns nicht viel anderes übrig, als alle 200 Ratsmitglieder am 22. Mai mittels eines persönlichen Briefes mit unseren Ansichten und Wünschen eindringlich zu konfrontieren. Siehe https://www.gigaherz.ch/offener-brief-an-den-nationalrat/
Wie die Abstimmungsresultate zeigen, könnte dieser eventuell noch etwas bewegt haben. Wir wissen es nicht.

Die Gesamtdauer der nationalrätlichen Debatte betrug über 6 Stunden und beinhaltete zahlreiche Streitpunkte die mit dem Thema elektromagnetische Felder wenig bis nichts zu tun hatten.
So wurde von FDP-Seite noch rasch versucht, Privathaushalte und kleine und mittlere Betriebe ausschliesslich nur noch mit dem teuren Strom aus Wasserkraftwerken zu versorgen und die günstigeren Mischtarife den Grossabnehmern vorzuenthalten. Es blieb indessen beim Versuch.

Bild oben: Der Nationalrat – Die grosse Kammer des schweizerischen Bundesparlaments

Der langen  Reden kurzer Sinn:

Zuerst das Positive für uns:
Ein Minderheitsantrag aus Wirtschaftskreisen der Kommission, die Netzebene 1, das sind 380 und 220Kilovolt Uebertragungsleitungen, ausschliesslich nur noch als Freileitung zu dulden und Erdverlegungen per Gesetz zu verbieten, wurde 94 gegen 92 Stimmen abgelehnt. Da sind wir noch gerade knapp an einer mittleren  Katastrophe vorbeigeschlittert.

Ein weiterer Minderheitsantrag, auf der Netzebene 3 (das sind Verteilleitungen unterhalb 220Kilovolt), den maximal erlaubten Mehrkostenfaktor welcher bei einer Erdverkabelung anfallen könnte, lediglich auf 2, statt wie im Gesetzesentwurf vorgesehen, auf 3 zu senken wurde mit 94 zu 90 Stimmen abgelehnt. Auch hier knapp, aber es hat gereicht, die Strombarone in die Schranken zu weisen.

Nationalrat Wasserfallen ist ins Wasser gefallen
Wollte doch dieser dem Rat tatsächlich weismachen, dass bei einer Erdverlegung die Strom-Transportverluste 3-4 mal höher seien als auf einer Freileitung. Zum Glück hatte Ratskollegin Semadeni (SP)ihre Hausaufgaben gemacht und konnte anhand von Bundesgerichtsurteilen das genaue Gegenteil beweisen. Wer weiss, vielleicht hat sie unseren Brief vom 22.Mai gelesen?

Nun das Negative für uns:
Ein Einzelantrag, dass bei den Mehrkosten, welche eine Erdverlegung verursacht immer die höheren Strom-Transportverluste einer Freileitung zu berücksichtigen sei, wurde haushoch abgelehnt. Offensichtlich glaubt die Ratsmehrheit immer noch, dass diese Verluste minim seien und nicht ins Gewicht fallen. Fakt ist jedoch, dass jährlich auf unserem Höchstspannungsnetz  3000Gigawattstunden an Transportverlusten verloren gehen. Was der Jahresproduktion eines mittleren Atomkraftwerks in der Grösse von Mühleberg entspricht. Diese Verluste könnten mittels Bodenkabeln mit Kupferleitern um rund 2000 Gigawattstunden reduziert werden. Und die Magnetfelder dieser Leitungen würden sich erst noch um das 10-Fache reduzieren.

Die übrigen Anliegen von uns
, wie die höhere Gewichtung des Landschaftsschutzes beizubehalten und die Einspracherechte der Bevölkerung nicht anzutasten, wurden gar nicht erst diskutiert.

Die Vorlage geht nun zwecks Bereinigung zurück an den Ständerat

Wer die ganze 6-stündige Debatte in Wort, Bild und Ton nachverfolgen möchte, bitte sehr, hier geht’s lang:
https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/amtliches-bulletin/amtliches-bulletin-die-verhandlungen?SubjectId=40157#speaker66

Von Hans-U. Jakob

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