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Neues von der Höchstspannungsleitung Chippis-Bickigen

Die Antwort auf die Einsprachen ist schon nach 18 Monaten eingetroffen. Welch eine tolle Leistung! Alle Einsprachen wurden abgewiesen. Die Beurteilung erfolgte nicht durch eine Behörde, sondern durch Swissgrid als Partei.

Von Hans-U. Jakob, Präsident von Gigaherz.ch
Schwarzenburg, 7. Juni 2017

Wegen den gewaltigen Verzögerungen bei Bau und Sanierung von oberirdischen Höchstspannungsleitungen , hervorgerufen durch den Widerstand der Anwohner mit ihren Einsprachen und Beschwerden, müsse man jetzt diesen die Einspracheberechtigung wegnehmen. So wird es jedenfalls in den neuen Gesetzen und Verordnungen über den Um- und Ausbau der Stromnetze versucht, die zur Zeit bei den Eidg. Räten behandelt werden.
Siehe https://www.gigaherz.ch/nationalrat-unter-strom/

Bild links: Die einzige Möglichkeit gesundheitsschädigende Magnetfelder von Hochspannungsleitungen in der Nähe von Siedlungen zu eliminieren, ist deren Erdverlegung. Die Technologie dazu ist seit 15 Jahren vorhanden, bedingt aber wesentlich höhere Investitionskosten. und soll nun aus Gründen der Gewinnmaximierung der Strombarone gesetzlich verboten werden.
Im Bild das Magnetfeld einer ins Erdreich verlegten 2-Strängigen 380kV-Leitung mit einem Strom von 2000Ampère pro Phase. Das Magnetfeld ist 10mal kleiner als bei einer Freileitung des selben Kalibers. Graphik: Bundesamt für Umwelt

31. Mai 2017: Halleluja,  die Antwort des Eidg. Starkstrominspektorates (EStI) ist schon nach 18 Monaten da!

Einspracheschluss war der 14. Dezember 2015 – Die Antwort ist bei den Einsprechenden am 30. Mai 2017 eingetroffen. Beurteilt wurden die Einsprachen nicht etwa vom EStI, sondern gleich von der Swissgrid selbst, welche in diesem Verfahren nicht etwa rechtsanwendende Behörde, sondern ganz eindeutig Partei ist. Hätte Swissgrid die Sache nicht gleich selbst an die Hand genommen, hätte es vielleicht nochmals 18 Monate länger gedauert. Genaues weiss man da nicht.

Gegen die Spannungserhöhung von 220 auf 380 Kilovolt welche einen Umbau dieser 106 km langen Höchstspannungsleitung von Chippis VS über den Gemmipass bis Bickigen bei Burgdorf BE erfordert, sind 353 Einsprachen und 1 Rechtsverwahrung eingereicht worden.

Um diese auf zusammengefassten 18 Seiten A4 zu beantworten haben das eidgenössische Starkstrominspektorat und Swissgrid fast 18 Monate benötigt. Wenn wir die Feiertage nicht abziehen gibt das immer noch ein Ergebnis von etwa 1 Seite pro Monat. Was für eine tolle Leistung! Und Schuld an dieser Verzögerung sind natürlich die Einsprecher. Ja, wer denn sonst? Doch nicht etwa die involvierten  Kantonalen- oder die Bundesämter? Oder etwa noch die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission?  Ja liebe Leser, wo denken Sie den hin?

Bei den 353 Einsprachen stammen 339 von Anwohnern, 2 von örtlichen politischen Organisationen, 1 von einer Ärztevereinigung, 1 von der Umweltorganisation Gigaherz.ch und  10 von Gemeinden. Es sind dies die Walliser und Berner-Oberländer Gemeinden.
Bei den Gemeinden im Mittelland wurden wir von Swissgrid regelrecht ausgetrickst, indem diese völlig einseitige Orientierungsabende, jeweils am Donnerstag in den entsprechenden Gemeinden publik machte und bereits am folgenden Dienstag die Veranstaltung durchführte, so dass wir keine Chance hatten, Anwohner zu mobilisieren um rechtzeitig eine Gegenveranstaltung auf die Beine zu stellen. Ist das jetzt die verbesserte Kommunikation mit der Bevölkerung, wie sie vom Departement Leuthard in den neuen Gesetzen zum Um- und Ausbau der Stromnetze vorgeschrieben wird? Anwohner belügen geht halt wesentlich besser, wenn die fachkundige Opposition nicht vor Ort ist

Die grossen Umweltorganisationen wie WWF, Pro Natura, Stiftung für Landschaftsschutz, Energiestiftung Greenpeace usw. sucht man auf der Liste der Einsprechenden vergeblich. Die sind an der Gesundheit der Anwohner offensichtlich nicht interessiert.

Gigaherz.ch sei gar nicht einspracheberechtigt, heisst es in der Behandlung der Einsprachen durch Swissgrid. Aber weil dummerweise so viele andere berechtigte Einsprecher bei Gigaherz.ch abgeschrieben oder sogar deren Vorlage kopiert hätten, müsse man halt jetzt darauf eingehen. Gigaherz.ch ist übrigens Einsprecher Nr.304 und steht trotzdem ganz am Anfang der 18-seitigen Abhandlung an prominenter Stelle. Welch eine Ehre!)
Die Mustereinsprache von Gigaherz.ch finden Sie unter: https://www.gigaherz.ch/mustereinsprache-gegen-aufruestung-hoechstspannungsleitung-chippis-bickigen/

Alle 353 Einsprachen wurden abgewiesen. Um dies zu ermöglichen musste im Sommer 2016 extra die Verordnung über nichtionisierende Strahlung des Bundesrates (NISV) entsprechend geändert werden.
Ein Justiz- und Politskandal, wie ihn die Schweiz noch nie gesehen hat!

Für Leitungen die vor dem Jahr 2000 erstellt wurden, gilt eine sogenannte Besitzstandgarantie. Das heisst es müssen bei den Anwohnern lediglich Magnetfeld-Grenzwerte von maximal 100Mikrotesla eingehalten werden, welche nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen lediglich vor Muskelkrämpfen und Ansteigen der Körpertemperatur auf 38° innerhalb von 7Minuten schützen.  Werden solche Leitungen jedoch massiv geändert, gilt auch hier der neue Grenzwert von 1 Mikrotesla, welcher auch vor Langzeitfolgen wie Krebs und vor allem Leukämie bei Kindern schützen sollte.
Denn das Bundesgericht hat mit Urteil 1C 172/2011 vom 15. November 2011 das blosse Gebot in Art.9 lit. a NISV, dass mit einer Änderung lediglich keine Verschlimmerung herbeigeführt werden dürfe, aufgehoben. Das Bundesgericht hat bestimmt, dass bei massiven Änderungen alter Leitungen, gemäss Umweltschutzgesetz gleichzeitig eine Sanierungspflicht bestehe, bei welcher der 1-Mikrotesla Grenzwert anzuwenden sei.

Um dieses Bundesgerichtsurteil zu unterlaufen haben die vermeintlich schlauen Füchse die NIS-Verordnung dahingehend soweit «angepasst» dass bei Sanierungen alter Leitungen Ausnahmebestimmungen zur Anwendung kommen. Eine davon heisst, dass bei Sanierungen zwecks Einhaltung des 1-Mikrotesla-Grenzwertes weder Erdverlegungen noch Verschiebungen der Leitung in Betracht gezogen werden müssen, da dies wirtschaftlich nicht tragbar und technisch nicht machbar sei. Was beides brandschwarz gelogen ist.
Näheres siehe unter: https://www.gigaherz.ch/so-bescheisst-der-bundesrat-das-volk/

Weil Swissgrid auf diese, vom Bundesgericht noch nicht abgesegneten Ausnahmebestimmungen pocht, gibt es auf der «sanierten» Leitung immer noch folgende Anzahl Orte empfindlicher Nutzung mit folgenden Grenzwertüberschreitungen:

59 (72) mit 1-2 Mikrotesla
64 (69) mit 2-5 Mikrotesla
5   (29) mit 5-10 Mikrotesla
0   (16) mit über 10 Mikrotesla

in Klammern vor „Sanierung“

Aber Dank dieser ersten Verordnungsänderung soll das jetzt schlank durchgehen. Wir werden sehen, ob sich das Bundesgericht so einfach austricksen lässt!

Bild links: Im Kanton Wallis stehen Kraftwerksleistungen an, die insgesamt 10mal höher sind als die Leistung des Atomkraftwerks Mühleberg. Um diese zu nutzen muss auch der Abtransport dieser gewaltigen Energiemenge in Richtung Mittelland sichergestellt werden. Im Bild der Stausee Lac des Dix der Kraftwerke Grande-Dixence.

Deshalb hat Gigaherz in ihrer Einsprache kritisiert, dass zum Abtransport der im Wallis anstehenden Kraftwerksleistungen von 3440 Megawatt die sanierte Leitung über die Gemmi trotz Spannungserhöhung auf 380kV eigentlich einen Strom von über 3000Ampère pro Phase führen müsste. Geprahlt hat jedoch Swissgrid damit, man könne dank der Spannungserhöhung den Strom auf 1500Ampère reduzieren, was dann die in obiger Tabelle aufgelistete Reduktion des Magnetfeldes ergebe.
Gigaherz stellt diese Reduktion des Stromes nach wie vor in Frage, weil die bestehenden Seile problemlos Ströme bis 2000Ampère zulassen.  Es wird also kaum von 2000 auf 1500Ampère reduziert, wenn man eigentlich 3000Ampère benötigen würde.

In ihrer Einsprachenbeantwortung hat Swissgrid nun zugegeben, dass man den Antrag auf Reduktion von 2000 auf 1500Ampère zurückgezogen habe.
Unter dem Motto immer nur zugeben, was sich gar nicht mehr leugnen lässt. Das kann noch heiter werden!

Von den Salzburgern gelernt
Bei der geplanten 110km langen 380kV-Leitung von Salzburg nach Kaprun musste wegen der 10‘000 Einsprachen gleich die Salzburg-Arena gemietet, und die Behörden wie die Projektverfasser unter Polizeischutz gestellt werden.
https://www.gigaherz.ch/salzburgleitung-kommt-vor-den-bundes-verwaltungsgerichtshof/
Wohl um solchen Zuständen vorzugreifen hat das EStI bei der Gemmileitung wegen angeblich „unüberbrückbarer Unvereinbarkeit der Standpunkte“ auf  Einspracheverhandlungen grosszügig verzichtet. Sollen die in Bern oben schauen wie sie mit den Bürgerprotesten fertig werden.

Der ganze Aktenberg wird jetzt dem Bundesamt für Energie überwiesen, wo die Einsprechenden bis zum 14.Juli 2017 Gelegenheit haben, ihre Beschwerde gegen die Abweisung der Einsprachen einzureichen

Gigaherz wird auf Anfrage Interessierte gerne beraten und unterstützen. Wir lassen wieder von uns hören.
Sehen sie dazu auch nach unter: https://www.gigaherz.ch/ausbau-hochspannungsleitung-wattenwil-muehleberg-warten-auf-das-neue-gesetz/

Von Hans-U. Jakob

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