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Irrlichter aus Stans NW

Die Schweizer Justizbehörden haben ein Problem. Sie müssen in Sachen Mobilfunk über etwas entscheiden, wovon sie meistens keine Ahnung haben. Weder technisch, noch physikalisch noch medizinisch.
Gelingt es Beschwerdeführenden erst einmal, die Richterinnen und Richter dazu zu bringen, nicht mehr einfach alles den Staranwälten der Mobilfunker abschreiben zu können, kommen dabei vielfach Cabaret-reife Urteile heraus.

von Hans-U. Jakob
Präsident von Gigaherz.ch
Schwarenburg, 21. September 2017

Das geht oft so weit, dass man sich fragen muss, stellen sich Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter nur dumm, oder sind sie es tatsächlich?
Eine Variante wäre noch, dass sie das Volk für so blöd halten, ihnen den Stuss abzukaufen, den sie in ihren Urteilen über abgelehnte Beschwerden gegen den Bau von Mobilfunkantennen erzählen.

1 Musterbeispiel in 3 Akten aus dem Halbkanton Nidwalden

1. Akt: Zum Qualitätssicherungssystem
Mobilfunkantennen können in der Regel mit bis zu der 10-Fachen Sendeleistung betrieben werden, als diese in den Baupublikations-Unterlagen deklariert wird. Zudem können in den meisten Fällen die vertikalen Senderichtungen weit mehr nach unten verstellt werden als deklariert. Beide Parameter lassen sich von einer Steuerzentrale aus beliebig verstellen, ohne dass sich ein Servicetechniker auf die Anlage begeben muss. Solche Manipulationen, ob unbeabsichtigt oder gewollt, können bei den Anwohnern zu massiven Überschreitungen der Strahlungs-Grenzwerte führen
Um dies zu verhindern, soll angeblich in den Steuerzentralen der Mobilfunknetze softwareseitig ein sogenanntes Qualitätssicherungssystem eingebaut worden sein, welches angeblich die kantonalen Umwelt-Fachstellen alarmiert, falls irgendwo im Land draussen eine der bewilligten Einstellungen überfahren wird.
Nun haben sich sowohl kantonale wie Bundesstellen in Sachen Qualitätssicherungssystem in den letzten Jahren dermassen in ein Lügengebilde verstrickt, dass die Existenz eines solchen Systems ernsthaft in Frage gestellt werden muss und dass es sich dabei höchstwahrscheinlich um ein System handelt, welches nur in der Phantasie einer Hand voll kantonaler oder Bundesbeamten vorhanden ist.
Item. In weit über hundert Einsprachen und Beschwerden gegen Mobilfunksender wurde ein gerichtlicher Augenschein bei einer kantonalen NIS-Fachstelle verlangt, von welcher aus angeblich via Internet der Zustand jeder Basisstation im Land draussen abgefragt werden kann. Selbstredend mit einer Vorführung aller notwendigen Kontroll- und Alarmfunktionen. Und zwar online am Bildschirm verfolgbar.

Die Ausreden der Behörden und Gerichte weshalb eine solcher Augenschein abgelehnt werde, sind ebenso mannigfaltig wie lächerlich.
Den Vogel abgeschossen hat aber kürzlich das Verwaltungsgericht Nidwalden mit der Begründung, ein Augenschein beim Amt für Umwelt sei nicht möglich, weil die strittige Antenne noch gar nicht gebaut sei.
Man(n) tut so als ob man eine solche Funktionskontrolle nicht bei einigen der 18’000 Antennen-Anlagen machen könnte, die schon im Betrieb sind.
Die Frage sei erlaubt: Seid ihr auf dem Verwaltungsgericht Nidwalden so blöd, oder die stellt ihr euch absichtlich dumm?
Weitere Informationen zum Thema:
https://www.gigaherz.ch/sie-luegen-bis-zum-bitteren-ende/
und
https://www.gigaherz.ch/57-out-of-limits/

2. Akt: Zur Messunsicherheit
Irgendeinmal vor langer Zeit hat das Bundesgericht entschieden, dass spätestens 3 Monate nach Inbetriebnahme einer Mobilfunk-Antennenanlage bei allen Orten empfindlicher Nutzung (OMEN) bei welchen ein Strahlungswert von über 80% des erlaubten Grenzwertes vorausberechnet wurde, eine Abnahmemessung durch ein sogenannt akkreditiertes Messinstitut vorzunehmen sei.
Das Dumme an der Sache ist nur, dass die Mobilfunkbetreiber jeweils an den am nächsten bei der Antenne liegenden OMEN die Grenzwerte bis auf 99% ausreizen. Das heisst, bei dem heute am meisten vorkommenden Grenzwert von 5Volt pro Meter (V/m) bis auf 4.95V/m.
Nun verlangen heute die meisten Einsprechenden eine mathematische, nicht juristische Erklärung dafür, wie das gehen soll, wenn die sogenannt akkreditierten Messinstitute immer noch mit Messeinrichtungen auffahren, die Unsicherheiten bis zu ±45% aufweisen dürfen. Das heisst dann, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% die Strahlung am kritischen OMEN irgendwo zwischen 2.7 und 7.2V/m liegt. Das muss man doch in einem Staat, der für seine Präzisionsindutrie weltbekannt ist, einfach nicht mehr hinnehmen.

Aber auch hier weiss sich das Verwaltungsgericht Nidwalden mit einer humoristischen Einlage herauszuwinden:
Weil die Messgenauigkeit bei Abnahmemessungen von plus/minus 45% immer noch dem Stand der Technik entspreche, sei die Messung selbst bei Prognosen von 1% unter dem Grenzwert immer noch genau genug.
Ein mathematischer Nachweis sei nicht nötig, weil dieser gar nicht erbracht werden könne. Punkt.

Zur Ehrenrettung des Verwaltungsgericht sei gesagt, dass man die Lachnummer betreffend vom Stand der Technik nicht selbst erfunden, sondern dem Bundesinstitut für Metrologie und Akkreditierung (METAS) abgeschrieben hat. Die behaupten doch dort immer noch allen Ernstes eine Messgenauigkeit von ±45% sei auch heute noch Stand der Technik. Vielleicht sollte man diese Amtsinhaber einmal wegen Amtsmissbrauchs vor Gericht stellen.
Weitere Informationen zum Thema: https://www.gigaherz.ch/weiterhin-wahrsagen-und-kaffeesatzlesen-bei-abnahmemessungen-an-mobilfunk-basisstationen/

3. Akt: Zu den Antennen-Diagrammen
Antennen-Diagramme sind der Schlüssel für jede Strahlungsprognose an den OMEN. Ohne diese geht gar nichts.


Bild oben: Original-Antennendiagramm einer Kathrein-Antenne vom Typ 742270 bei einer Frequenz von 2140Mhz (UMTS oder 3G)
Blaue Linie: Horizontaldiagramm (von oben gesehen) Rote Linie: Vertikaldiagramm (von der Seite gesehen) hier bei einem Einstellwinkel (Tilt) von -8°. Bei jedem andern Einstellwinkel ändern sich die Nebenkeulen sehr stark.

Nun haben die Mobilfunkbetreiber angefangen, den Berechnungsblättern in den Bauakten nicht mehr die Original-Diagramme der Antennenhersteller zu Grunde zu legen, sondern sebstgebastelte. Mit Selbstgebastelten die weder exakt der vorgesehenen  Funkfrequenz noch dem vorgesehenen Einstellwinkel entsprechen. Das heisst man legt den Berechnungen sogenannte Hüllkurven zu Grunde, welche angeblich gleich sämtliche Mobilfunk-Frequenzen umfassen sollen.
Gigaherz hat in einem Bundesgerichtsfall (Murten) nachgewiesen, dass mit Hüllkurven erstellte Berechnungen Fehler bis zu 57% zu Ungunsten der Anwohner entstehen können, worauf das Bundesgericht die Verwendung solcher Hüllkurven untersagt hat.
Das stört indessen weder das BAFU noch die kantonalen NIS-Fachstellen, noch die Mobilfunkbetreiber. Es wird auf hunderten von Neuanlagen munter mit Hüllkurven weitergewurstelt.

Auch hier hält das Verwaltungsgericht Nidwalden eine humoristische Einlage bereit.
Gemäss den Vollzugsempfehlungen des Bundesamtes für Umwelt müsse den Prognoseberechnungen lediglich ein Antennendiagramm beigelegt werden. Von Original-Diagrammen stehe da nichts. Halleluja!

Oder die Original-Antennendiagramme seien ja bei Kathrein unter Vergabe eines Passwortes abrufbar, meint das Verwaltungsgericht. Warum Kathrein sowohl Gigaherz als auch andern kritischen Instituten den Zugang verweigert, mochte das Verwaltungsgericht Nidwalden gar nicht erst abklären. Das hätte schlecht ins Heiligenbild der Mobilfunker gepasst.

Im Übrigen handelt es sich im strittigen Baugesuch nicht um Kathrein-Antennen aus Deutschland, sondern um chinesische, über welche das Verwaltungsgericht Nidwalden in einer Zusatzrunde eine wahre Lobeshymne ausbringt. Daran dürfte der niedwaldner Tourismusdirektor hoch erfreut sein.

Urteil VA 1611 Verwaltungsgericht Nidwalden (36 Seiten)

Wollte man jeden weiteren Nonsens auflisten, welcher in diesem Urteil steht, würde dies den Inhalt eines Beitrages auf dieser Internetseite bei weitem sprengen.

Von Hans-U. Jakob

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