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Auch unter neuem Namen wird gelogen

Der Orange Communications AG, kürzlich umbenannt in SALT, ist das Grundsatzurteil 1C/200/2012 des Bundesgerichts vom 17. Dez. 2012  (Falera GR) in welchem das Bundesgericht das Nach-, Um- und Hochrüsten von bestehenden Mobilfunkantennen in der Landwirtschaftszone generell verbietet, sehr gut bekannt.
Orange resp. SALT versucht deshalb zur Zeit landesweit die Anwohner von Mobilfunksendeanlagen arglistig zu täuschen, indem sie ihre massiven Hochrüstungspläne mit „Austausch der bestehenden Sendeanlage“ publiziert.
Am Beispiel einer Geschichte aus dem Lande Gotthelfs

Von Hans-U. Jakob
Schwarzenburg, 19.6.2015

Die gutmütigen Schweizerbürger/Innen die sich solch massive Täuschungsmanöver durch einen Milliarden-Konzern nicht gewohnt sind, werden damit in den Glauben versetzt, es handle sich lediglich um den 1:1 Austausch von in die Jahre gekommenen Antennenkörpern mit Witterungsschäden,
Siehe auch
https://www.gigaherz.ch/schwarzenburg-irrefuehrende-baupublikation/ und
https://www.gigaherz.ch/betrugsversuch-geplatzt-orange-zieht-baugesuch-zurueck/

Emmental

Ein Kleinlandwirt mit 4.5Hektaren Land und AHV-Rentner aus dem Emmental mochte der Baupublikation, welche den Austausch der Sendeanlage auf dem Hoger oberhalb seines bescheidenen Anwesens ankündigte, keinen allzugrossen Glauben schenken und meldete sich bei der NIS-Fachstelle von Gigaherz.ch, man möge doch dieses Baugesuch bitte überprüfen.
Und siehe da was die Baupläne und die Standortdatenblätter ergaben: Der Austauch war gar kein Austausch, sondern eine ganz massive Hochrüstung in Form der 5.5-Fachen Sendeleistung infolge Ausbau der Anlage vom bisherigen GSM-System auf den zusätzlichen UMTS- und LTE-Standard.

Zuständig für die im Hintergrund mit Hilfe von Gigaherz verfasste Einsprache war der Regierungsstatthalter von Wangen an der Aare.
Dieser machte, wohl im Glauben der am Rande des Existenzminimums lebende Emmentaler Kleinbauer werde kaum das nötige Kleingeld zum prozessieren haben, kurzen Prozess. Wie der Kleinlandwirt, der doch von Mobilfunk keine Ahnung habe, wohl beweisen wolle, dass es sich um eine Hochrüstung handle. Es bleibe bei einem Austausch von in die Jahre gekommenen Antennenkörpern, Punkt. Die Einsprache sei abgewiesen.

Regierungsstatthalter denkt falsch
Die nächste Gerichtsinstanz, die Bernische Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion (BVED) gestattete dem Kleinbauern auf Gesuch hin, Gratis-Prozessführung, da 4.5 Hektaren weit unter dem Existenzminimum liegen und das Ganze doch allzusehr nach Betrug und enarglistiger Täuschung roch. Denn aussichtslose Begehren erhalten zum Vorneherein kein Geld vom Steuerzahler.

Und siehe da was der Rechtsdienst der BVED herausfand: Es handle sich sehr wohl um eine massive Hochrüstung der Anlage, die eigentlich nicht bewilligt werden dürfte, aber der Vorteil für Orange resp. SALT sei an diesem Standort dermassen überwiegend, dass man die Baubewilligung erteilen müsse. Es müssten als Ersatz sonst 2-3 Antennen in den Bauzonen der benachbarten Gemeinden erstellt werden.

Gigaherz dagegen meint:
Das wiederum verstosse erneut gegen bundesgerichtliche Rechtsprechung. Weil sich die BVED in ihrer Erteilung einer Sonderbewilligung auf nichts anders mehr berufen konnte, als auf finanzielle Vorteile für die Mobilfunkbetreiber, zog der Kleinbauer mit Hilfe der NIS-Fachstelle von Gigaherz den Fall vor das Bernische Verwaltungsgericht. Dieses erteilte wiederum seinen Segen zum Gesuch der Gratis-Prozessführung, da der Fall dort offensichtlich auch nicht  aussichtslos schien.
Denn es sind indessen gerade diese wirtschaftlichen Vorteile und die zu erwartende geringere Anzahl an Einsprachen sowie die Weigerung von Hauseigentümern eine Mobilfunkantenne auf ihrem Dach zu dulden, die laut Bundesgericht zu keiner Sonderbewilligung zum Bau oder Erweiterung einer Mobilfunkanlage in der Landwirtschaftszone berechtigen. BGE 133 II 321E.4.3.3S 325f und 133 II 409E.4.2S.417 mit Hinweisen.

Ermessensspielraum überschritten
Die BVED hat nach Ansicht von Gigaherz demnach ihren Ermessensspielraum weit überschritten und die arglistigen Täuschungsmanöver widerrechtlich geschützt,  welche auch vom BECO (Berner Amt für Wirtschaft) und dem AGR (Amt für Gemeinden und Raumordnung) zu decken versucht worden waren,
Mit Bestätigung und Verfügung vom 1. Oktober 2014, schrieb das BECO, dass der Um- und Ausbau der Mobilfunk-Basisstation unter dem Titel Austausch der Sendeanlage, allen Bestimmungen vollumfänglich entsprechen würde.
Dies unter Beizug ihres funktechnisch versierten Fachbeamten, dem das Grundsatzurteil des Bundesgerichts 1C/200/2012 vom 17. Dez. 2012  (Falera GR) in welchem das Bundesgericht das Nach-, Um- und Hochrüsten von bestehenden Mobilfunkantennen in der Landwirtschaftszone generell verbietet, sehr wohl bekannt ist.

Das BECO war erst in zweiter Instanz (vor der BVED) und nur unter dem Druck von massiven Beweismitteln in Form der ursprünglichen Standortdatenblätter aus dem Jahr 2000 bereit, zuzugeben, dass es sich nicht nur um einen Austausch der Antennenkörper, sondern um ein gleichzeitiges massives Hochrüsten der Anlage in Form von Multibandantennen handelt. Vorher hatte dort offensichtlich niemand damit gerechnet, dass diese Beweismittel überhaupt noch existierten und dass der Beschwerdeführer unterdessen von einem Sachverständigen unterstützt wurde.
Multibandantenne heisst indessen nichts anderes, als mehrere Antennen unter demselben Gehäusedeckel. Was in diesem Fall die Anzahl Antennen ganz klar von 3 auf 8 erhöht.

Weiteres Standortdatenblatt aus dem Hut gezaubert
Hochinteressant ist indessen auch, dass das BECO plötzlich ein weiteres, zwischenzeitlich im Jahr 2009 erstelltes Standortdatenblatt aus dem Hut zaubern konnte, von welchem die Anwohnerschaft rund um die Sendeanlage auf dem Hoger oben nichts wusste.
Dieses ergab, dass die Anlage bereits im Jahr 2009 bereits einmal hochgerüstet worden war. Das heisst, vom GSM- zusätzlich auf den UMTS-Dienst.
Trotz dieser bereits erfolgten Hochrüstung ergibt das neue Baugesuch von 2014 mit der Hochrüstung auf den LTE-Funkdienst immer noch eine gewaltige Verstärkung der Sendeleistung um Faktor 3.33 oder von 4‘320Watt ERP auf 14‘400Watt ERP. Das heisst, um mehr als 10‘000Watt ERP. Im Bundesgerichtsfall Falera, welcher das Hochrüsten von Mobilfunksendeanlagen in der Landwirtschaftszone explizit untersagt, betrug der Hochrüstungsfaktor lediglich 2.2.
Da die Anwohnerschaft von einer bereits einmal erfolgten Hochrüstung im Jahr 2009 nichts weis, muss angenommen werden, dass diese illegal, das heisst ohne Baupublikation erfolgt ist. Das Verwaltungsgericht wird jetzt deshalb zusätzlich noch abzuklären haben, ob überhaupt jemand und wenn ja wer für die Hochrüstung von 2009 grünes Licht gegeben hat.

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Zur allgemeinen Erinnerung sei hier nochmals der Kernsatz des Bundesgerichtsurteils 1C/200/2012 vom 17. Dez. 2012  (Falera GR) in welchem das Bundesgericht das Nach-, Um- und Hochrüsten von bestehenden Mobilfunkantennen in der Landwirtschaftszone generell verbietet, zitiert.

Zitat: 5.2 Bei der bestehenden Mobilfunkanlage handelt es sich nicht um eine altrechtliche (vor Juli 72 erstellte)  Anlage, die durch die nachträgliche Änderung von Erlassen oder Plänen zonenwidrig geworden ist. Die Erteilung einer Bewilligung für die Erweiterung der Antennenanlage nach Art. 24c Abs. 2 RPG ist damit ausgeschlossen. Ausserdem dürfte die Aufrüstung der bestehenden Antenne von der GSM-Technologie auf die neuere UMTS-Technologie auch den Rahmen einer „massvollen Erweiterung“ im Sinne von Art. 24c Abs. 2 RPG sprengen (vgl. BGE 133 II 409 E. 3 S. 416 f.) Ende Zitat

Wir warten nun gespannt auf das Urteil des Bernischen Verwaltungsgerichts, ob das Urteil von Falera, wo ein Bundesrichter sein festes Feriendomizil hat, auch für einen Emmentaler Kleinbauern und AHV-Rentner gilt, welcher am Rande des Existenzminimums lebt. Ansonsten wir von einem gigantischen Justizskandal sprechen könnten.

Alle Bürger sind vor dem Gesetze gleich, manche sogar noch etwas gleicher
Frei nach Jeremias Gotthelf

Schlussbemerkung
Wie dieses Beispiel zeigt, ist es nicht damit getan, Mobilfunkantennen in die Landwirtschaftszone hinaus zu verschieben. Auch hier wohnen Menschen, die Anspruch auf Schutz haben. Wenn in den Dörfern und Städten drinnen alle meinen, mit dem Handy am Grind herumlaufen zu müssen, so sollen sie auch die Antennen auf den Dächern oben haben.
Frei nach Hans-U. Jakob

Und es wäre interessant zu erfahren, wie viele Anwohner von Mobilfunkantennen landesweit bereits auf diesen Schwindel hereingefallen sind.

Von Hans-U. Jakob

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