Ausbau Hochspannungsleitung Wattenwil-Mühleberg: Warten auf das neue Gesetz
Wie die Stromgiganten jetzt das Bundesgericht und die Anwohner von Hochspannungsleitungen austricksen. Das kann nicht gut gehen!
von Hans-U. Jakob
Schwarzenburg, 20.Mai 2017
Mit Urteil 1C_129/2012 vom 12.Nov.2012 hob das Bundesgericht die Plangenehmigung für den Neubau der bestehenden 33km langen 230 Kilovolt-Höchstspannungsleitung zwischen Wattenwil und Mühleberg vollständig auf und verlangte für insgesamt 23 von 33km die Planung einer Erdverlegung. Begründung: Die Leitung führe mitten durch mehrere Landschaftsschutzgebiete von nationaler, kantonaler und kommunaler Bedeutung
https://www.gigaherz.ch/hochspannunsleitung-wattenwil-muehleberg/
Bild oben: Ginge es nach dem Bundesgericht könnte diese Leitung nicht mit doppelt bis 3 mal höheren Masten von 132 auf 220Kilovolt hochgerüstet werden, sondern müsste im Boden verschwinden
Am 29.November letzten Jahres teilten die Bernischen Kraftwerke (BKW) und Swissgrid der Bevölkerung mit, dass ein Neubau dieser Leitung auf Grund seriöser Netzplanung nun nicht mehr erforderlich sei und dass man sich mit einigen Instandhaltungsmassnahmen an der bestehenden 75 Jahre alten 132Kilovolt-Leitung begnügen könne. Es müssten an den Masten lediglich einige versprödete (sprich verrostete) Stahlteile und die Isolatoren ausgewechselt werden. Die Stromleitungs-Seile seien noch in gutem Zustand und müssten nicht ausgetauscht werden.
Kommentar:
Auch nach der Abschaltung des Atomkraftwerks Mühleberg im Jahr 2019 bleibt Mühleberg eines der grössten Strom-Verteilzentren der Schweiz. Weitere Abschaltungen von Atomkraftwerken im Mittelland sind absehbar. Ebenso in Frankreich, wo die BKW mehre Beteiligungen und Lieferverträge besitzen.
Wie obiges Schema der Höchstspannungs-Umgebung von Mühleberg eindrücklich zeigt, ist der Ausbau der Leitung Wattenwil-Mühleberg keineswegs vernachlässigbar. Denn um die AKW’s im Mitteland zu ersetzen, müssen zwangsläufig die Walliser Kraftwerke (Chippis) mit einer Gesamtleistung von 3440Megawatt und die Kraftwerke Oberhasli (Innertkirchen) mit einer Gesamtleistung von 1368Megawatt herangezogen werden. Das AKW Mühleberg leistet übrigens «nur» 310Megawatt. Dies so zum allgemeinen Grössenvergleich.
Da stellt sich schon die Frage, wie die gesamte Kraftwerksleistung von zusammen 4800Megawatt auf dem kürzesten Weg von Wimmis nach Mühleberg zu transportieren ist? Ein Umweg über Bickigen über die bestehende von 220 auf 380Kilovolt hochzurüstende Leitung genügt nicht einmal für die gesamte Energie aus dem Wallis zu transportieren. Und der Umweg nach Mühleberg kostet die Stromlieferanten jährlich erst noch 1-2Millionen Franken an Transportverlusten. Denn Strom transportiert sich nicht gratis. Die Leitungsverluste sind enorm.
Bei dieser Lösung fehlt uns jetzt immer noch die Transportkapazität für die Kraftwerksleistung von 1360 Megawatt aus den Kraftwerken Oberhasli. Dafür wurde das Teilstück Wimmis-Wattenwil bereits vor Jahren auf 220kV aufgerüstet. Dieses läuft heute mit einer Kapazitätsreserve von 70-80% und soll jetzt plötzlich in Wattenwil auf der grünen Wiese enden?
Die Verlautbarung von Swissgrid und BKW, das Teilstück von Wattenwil nach Mühleberg sei nicht mehr erforderlich, ist nicht dicht!
Swissgrid und BKW haben sich aus reiner Profitgier der europaweiten Verschwörung gegen Erdverlegungen von Höchstspannungsleitungen angeschlossen. Statt der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu folgen und zwischen Wattenwil und Mühleberg die teurere Erdverlegung zu planen, ändern sie einfach mit Hilfe der Politiker die entsprechenden Gesetze. Es war ja absehbar, dass sich die Stromgiganten nicht von den Längenberger Gartenzwergen (so nannten sie die Gewinner des Bundesgerichtsprozesses) ans Bein pinkeln lassen.
Am kommenden 29. Und 30 Mai stimmt der Nationalrat über das Bundesgesetz über den Um- und Ausbau der Stromnetze ab. Mit diesem neuen Gesetz soll unter anderem:
a) Den Höchstspannungsleitungen von 220 und 380 Kilovolt die selbe oder auch höhere Priorität eingeräumt werden, als dem Schutz der Landschaften von nationaler Bedeutung
b) Den Anwohnern das Einspracherecht entzogen und durch ein rechtlich völlig wirkungslose Mitwirkungsverfahren ersetzt werden.
Damit erhalten Swissgrid und BKW freie Fahrt und können das Projekt für die Aufrüstung Wattenwil-Mühleberg an welchem sie 9 Jahre gearbeitet haben, mit geringfügigen Änderungen , wieder aus der Schublade holen und neu auflegen. Die Leitung hat dann höhere Priorität als der Schutz der Landschaft und die Anwohner haben gar nichts mehr zu bestellen. Das heisst, der jahrelange Krieg David gegen Goliath der Anwohner, in welchen sie hunderte von Freizeitstunden und tausende von Franken an sauer verdientem Geld gesteckt haben, wäre verloren. Es sei denn gegen das neue Gesetz würde das Referendum ergriffen und es käme zu einer Volksabstimmung….
Sollten Swissgrid und BKW tatsächlich auf den Ausbau Wattenwil-Mühleberg verzichten, wären die Anwohner auch so die Leidtragenden.
Es gibt auf diesem Leitungsabschnitt mindestens 16, mehrere Häuser umfassende Orte, in welchem die seit Januar 2000 gültigen Magnetfeld-Grenzwerte von 1 Mikrotesla infolge von zu kleinen Abständen nicht eingehalten sind.
Das heisst nicht nur 4-Faches Leukämie-Risiko für Kinder sondern auch noch Lebensgefahr durch herabfallende Stromleiter-Seile. Denn diese sind 75 Jahre alt und niemand soll uns weismachen, dass die in den Aluminiumlitzen eingeflochtenen Stahldrähte nach 75 Jahren im Wetter draussen nicht längstens durchgerostet sind. Diese eingeflochtenen Stahldrähte sind erforderlich um die Reissfestigkeit von Aluminiumseilen zu gewährleisten. Bei herabfallenden Seilen einer 132Kilovolt-Leitung in bewohntes Gebiet oder gar auf Häuser, gibt es unweigerlich Schwerstverletzte (Verbrannte) und Tote.
Die Interessengemeinschaft Umweltfreundliche Hochspannungsleitung Wattenwil Mühleberg (IG-UHWM) schläft nicht und wird die Interessen der Anwohner mit fachkundiger Hilfe von Gigaherz.ch weiterhin mit allen legalen Mitteln vertreten.
Aus der Vorgeschichte
https://www.gigaherz.ch/hochspannungsleitungen-der-grosse-volksbeschiss/
und
https://www.gigaherz.ch/zweiter-offener-brief-an-den-staenderat/
oder einfach in der Suchmaschine bei Gigaherz «Wattenwil-Mühleberg» eingeben.
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