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Die Antennen zu den Hintersassen und Plebeyern!

Im Mittelalter wohnten die Unterprivilegierten, die vorwiegend Schwer-, Dreck- und Hilfsarbeit  zu verrichten hatten, kein Geschäft und keinen Handel betreiben durften und keine Bürgerrechte besassen, meistens ausserhalb der schützenden Stadtmauern oder wenn es hoch kam, in einer stickigen Schattengasse, wo sonst niemand wohnen wollte.  Man nannte sie die „Hintersassen“, weil es sich meist um Zugewanderte oder deren Nachkommen handelte.  Dieses Modell der rechtlosen Habenichtse kannten schon die alten Römer, man nannte sie dort „Plebeyer“.

 

Hans-U. Jakob, 2.9.08

Das Plebeyermodell nach Dr. Benjamin Wittwer

Ginge es nach Dr. Benjamin Wittwer, dem Rechtskonsulenten der Zürcher Baudirektion, dürfen Gemeinden ihre Antennenstandorte nur in dem Sinn steuern, dass für jede unerwünschte Antenne in einer Wohnlage für gehobenen Ansprüchen, eine solche in einer weniger privilegierten Lage angeboten werden muss.

Dies geht aus dem kürzlich von der Baudirektion an die Zürcher Gemeinden verschickten Merkblatt „Bewilligung und Standortsteuerung von Mobilfunkanlagen“ hervor.

Verboten seien insbesondere:

-Mobilfunk-Moratorien

-Nachweis der Unbedenklichkeit

-Zweckmässigkeitsprüfung

-Bedürftnisnachweis

-Abschalten der Anlage bei Nacht

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Das bedeute nun nicht, dass die Gemeinden keinen Einfluss auf die Standortplanung von Mobilfunkanlagen nehmen könne, schreibt die Baudirektion in ihrem Merkblatt.  Sie müssten einfach, wenn sie gewisse Quartiere vor Mobilfunksendern verschonen wolle, genügend andere Standorte in weniger privilegierten Lagen anbieten. Wie Dr. Benjamin Wittwer das genau meint, erklärt er anhand untenstehender Grafik.




Plebeyer.jpg

Bild aus dem Merkblatt der Baudirektion des Kantons Zürich und aus den Vortragsfolien von Dr. Benjamin Wittwer im Hotel Banana.



Wohnlagen für Privilegierte können verschont werden

Die privilegierten Wohnlagen befinden sich entweder ganz unten am See oder dann oben am Hang mit prächtiger Aussicht. In der Grafik hellblau dargestellt. Hier in einem Gebiet das 40% der Siedlungsfläche der Gemeinde ausmacht, dürfen keine Mobilfunkantennen gestellt werden, wenn dafür in den unterprivilegierten Wohnlagen zwischen Strasse und Bahnlinie, in der Grafik grün dargestellt, von der Gemeinde genügend Plätze zur Verfügung gestellt werden um das Manko an Antennen in den privilegierten Zonen wettzumachen.

Für den Fall dass nach unten zu den Plebeyern keine Sichtverbindung besteht, (Topografie) können oben in den Wohnzonen für gehobene Ansprüche, das heisst, in den hellbraunen Zonen, Mobilfunksender mit sehr kleiner Leistung, nur gerade für die Quartierversorgung, bewilligt werden.

Um von den Unterprivilegierten aus die gehobenen Wohnzonen mit sogenannt „qualitativ hochstehendem Mobilfunk“ zu versorgen, müssen dann die Antennen bei den Unterprivilegierten wegen der grösseren Distanz zu den Privilegierten auch noch stärker strahlen als sonst.  Und weil durch dieses Modell der Antennenwald bei den Unterprivilegierten auch noch gerade verdoppelt wird, gibt es jetzt Probleme mit dem vorgeschriebenen Mindestabstand von Antenne zu Antenne. Dabei muss man wissen, dass jeder Antennenstandort in der Regel nur 90-180 Verbindungen gleichzeitig herstellen kann.

Der Abstand zwischen 2 Antennenstandorten muss nämlich laut NISV bei engen räumlichen Verhältnissen so gewählt werden dass deren kumulierte Strahlung bei den Anwohnern die Anlage-Grenzwerte nicht übersteigt.

Dafür wurde seinerzeit vom BAFU (Bundesamt für Umwelt) das sogenannte Perimeter-Modell entwickelt und vom Bundesgericht sanktioniert, welches ein Ueberschreiten der Grenzwerte bei Anwohnern verhindert, die gleich von mehreren Antennen bestrahlt werden.  Diese Modell verlangt je nach Sendeleistung der Antennen horizontale Abstände zwischen 50 und 150m.

Ueber 50m wären nun eindeutig zu viel um das Plebeyer-Modell nach Dr. Benjamin Wittwer zu realisieren.  Es könnten zu wenig Antennen aufgestellt werden, um von den Unterprivilegierten aus die Privilegierten mit „qualitativ hochstehendem Mobilfunk“ zu versorgen.  Ergo bestimmt die Baudirektion des Kantons Zürich, resp. Dr. Benjamin Wittwer auch noch gleich eigenmächtig einen neuen Minimalabstand zwischen den Antennenstandorten. Dies mit 50m fix.  Einfach 50m.  Egal wie viel die Sendeleistungen betragen.

Das kommt nicht gut. Denn nach der BAFU-Berechnungsmethode wird, um die Einhaltung der Anlage-Grenzwerte zu garantieren, bereits bei Sendeleistungen von 5000Watt ERP in denselben 90°-Sektor ein horizontaler Abstand von 100m benötigt.  Wenn sich mehrere Dienste (2xGSM+1xUMTS) oder auch 2 Anbieter auf demselben Mast befinden, sind 5000Watt ERP keine Seltenheit.  Besonders dann nicht, wenn zu den Privilegierten hin noch eine grössere Distanz überwunden werden muss.  Bis zu 150m Minimalabstand ist etwa in ländlichen Gebieten erforderlich, wo manchmal mit bis 12‘000Watt ERP in denselben 90°-Sektor eingestrahlt wird.

Da es hie und da trotz ausgeklügelter BAFU-Berechnungsmethode, vereinzelt zu leichten Grenzwert- Ueberschreitungen kommen konnte, hat das Bundesgericht mit Urteil 1C40/2007 am 6.November 2007 ein neues verbessertes Berechnungsmodell verlangt, möglichst etwas einfacher als das Bisherige.  Mit Bestimmtheit aber nicht so einfach wie sich das nun die Baudirektion des Kantons Zürich vorstellt, indem sie eigenmächtig den Abstand zwischen 2 Antennenstandorten auf bescheidene, in den meisten Fällen unhaltbare 50m zusammenstreicht.

Gemeinden und Anwohner müssen das nicht akzeptieren.  Gigaherz hilft gerne dabei, notwendige Abstände zu berechnen, welche Grenzwertüberschreitungen auch in unterprivilegierten Wohnlagen verhindern und solche Baubeschwerden bis ans Bundesgericht durchzuziehen.  Denn so wie sich das die Zürcher Regierung in ihrem Merkblatt vorstellt, geht es mit Sicherheit nicht.  Weder rechtlich noch technisch.

die Vorgeschichten dazu finden Sie unter

/der-angriff-auf-den-anlage-perimeter/  Der Angriff auf den Anlage-Perimeter und

/standortplanung-von-mobilfunkanlagen-die-entrechtung-der-bevoelkerung-geht-weiter/  Denkwürdige Tagung im Hotel Banana

Das Merkblatt für Zürcher Gemeinden finden Sie unter:

http://www.luft.zh.ch/internet/bd/awel/lufthygiene/de/aktivities/nis.html

Von Hans-U. Jakob

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