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„Ein unbrauchbares Gefälligkeitsgutachten“


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Wenn die Mobilfunk-Grenzwerte auf 0,6 V/m gesenkt werden, müssen massiv mehr Basisstationen erstellt werden – sagt das Bakom.  Alles Quatsch und an den Haaren herbeigezogen – sagt eine schweizerische Fachstelle für Nichtionisierende Strahlung.

 

Von Desirée Franke-Vogt (Tageszeitung Vaterland)

 

Um zu klären, welche Konsequenzen eine Senkung der Grenzwerte auf die Funknetze der Mobilkommunikation haben würden, hatte die Regierung im Vorfeld der Debatte um das neue Umweltschutzgesetz unter anderem ein Gutachten beim schweizerischen Bundesamt für Kommunikation Bakom in Auftrag gegeben. Das Fazit: Werden die Grenzwerte gesenkt und

soll die gleiche Versorgungsqualität beibehalten werden, müssen massiv mehr Basisstationen erstellt werden oder aber eine schlechtere Versorgungsqualität bzw. lückenhafte Abdeckung müsste akzeptiert werden.

Jetzt hat der Verein für gesundheitsverträglichen Mobilfunk VGM dieses Gutachten über ein Schweizer VGMMitglied anfordern lassen – und zugleich eine Stellungnahme und Beurteilung bei «Gigaherz.ch», eine Schweizer Interessengemeinschaft Elektrosmog-Betroffener, eingeholt.

Der Verfasser dieser Beurteilung ist Hans U. Jakob. Und sein Fazit: «Das ganze sieht nach einem Gefälligkeitsgutachten für die Mobilfunkbetreiber aus, dessen Erstellung nach Schweizer Recht sogar strafbar wäre. Es ist für eine objektive Bewertung einer Grenzwertsenkung nicht brauchbar.»




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Regierung weist Vorwürfe zurück

Keine Kenntnis von dieser Beurteilung durch «Gigaherz.ch» hatte bis gestern Regierungsrat und Kommunikationsminister Martin Meyer. Er weist die Vorwürfe aber in aller Deutlichkeit zurück. «Wir haben im Vorfeld der Behandlung des Umweltschutzgesetzes umfassende Abklärungen getätigt. Das Bakom-Gutachten ist nur eines von mehreren Gutachten, die alle in dieselbe Richtung weisen», so Meyer.

Bei der Bakom selbst konnte gestern leider niemand für eine Stellungnahme erreicht werden.

Der Unterzeichner des Gutachtens, Rolf Burgherr, arbeitet nicht mehr beim Bakom, sein Nachfolger bzw. der zuständige Sachbearbeiter war gestern ausser Haus. Mittlerweile wurde ihm die Beurteilung von «Gigaherz.ch» zugestellt. Ob er dazu Stellung bezieht, wird sich weisen.

«An den Haaren herbeigezogen»

Für einen Laien ist die Beurteilung des Bakom-Gutachtens durch Hans-U. Jakob schwer verständlich. Klar und gut verständlich sind hingegen sein Fazit und die kritischen Worte an die Adresse des Bakom und die Mobilfunkbetreiber.

«Die mobile Kommunikation kann in Liechtenstein mit der bisherigen Anzahl Basisstationen mit gewissen baulichen Massnahmen, eventuellen Verschiebungen und Leistungsreduktionen ohne Komforteinbusse auch bei einem Grenzwert von 0,6 V/m aufrechterhalten werden», so

Jakob.

Die Schlussfolgerung des Bakom, es brauche mindestens zehnmal mehr Basisstationen als bisher, sei mit Sicherheit falsch und an den Haaren herbeigezogen. Man müsse hier von einem unbrauchbaren Gefälligkeitsgutachten ausgehen, dessen Erstellung nach Schweizer Recht sogar strafbar sei. Der Hinweis des Bakom, beispielsweise dass hausgemachter Elektrosmog oft höher sei als der von aussen eingestrahlt zähle nicht. Ebenso überzeuge der Hinweis nicht, dass das Handy umso mehr aufdrehe, je weiter die Basisstation entfernt sei.

Deckmantel «Geschäftsgeheimnis»

Vorwürfe gehen aber auch in Richtung Liechtenstein, so zum Beispiel, was die Herausgabe von Datenblättern und Antennendiagrammen durch die Mobilfunktbetreiber betrifft. Denn nur mit Hilfe dieser Unterlagen könnten die Massnahmen individuell für jeden Ort emfindlicher Nutzung (Omen) bestimmt werden. «Im Gegensatz zur Schweiz ist es leider in Liechtenstein unter dem Deckmantel ‹Geschäftsgeheimnis› möglich, die Datenblätter und Antennendiagramme geheim zu halten, sodass man die Bevölkerung nach Noten beschwindeln kann», so Jakob.

Zudem verweist Jakob auf ein internationales Abkommen,wonach ein fremdstaatlicher Mobilfunksender im 1800 MHz-Bereich einen Kilometer nach der Grenze nur noch mit 0,00085 V/m einfallen dürfe. Dieses Abkommen werde heute elegant umgangen, indem Liechtenstein mobilfunktechnisch schlicht und einfach zum 27. Kanton der Schweiz erklärt werde. «Sollte es bei einem liechtensteinischen Grenzwert von 0,6 V/m wider Erwarten zum Einbuchen in ausländische Basisstationen kmmen, könnte das sogenannte HCM-Abkommen aktiviert und die heute bestehende Sonderregelung mit der Schweiz ausser Kraft gesetzt werden.

Und würde sich in Liechtenstein ein Grenzwert von 0,6 V/m als möglich erweisen, was zu erwarten ist, wäre damit zu rechnen, dass die Schweiz sehr rasch nachzieht», ist Hans-U. Jakob überzeugt.

Von Hans-U. Jakob

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