Handystrahlung lässt Hirnkrebsrisiko steigen
Ein Interview mit Dr.med. Joachim Mutter in der Schwäbischen Zeitung vom 11. Dez.09
FREIBURG – Seitdem es Mobilfunk gibt, streiten sich Befürworter und Gegner, ob die unsichtbaren Strahlen von Handys und Sendemasten ungesund sind oder nicht. Joachim Mutter, Umweltmediziner an der Universität Freiburg, erklärt unserer Redakteurin Antje Merke, wie schädlich diese Strahlen vor allem für Kinder sind.
SZ: Viele Kinder wünschen sich zu Weihnachten ein Handy. Was halten Sie davon?
Dr. Mutter: Würden Sie Ihrem Kind zwei Stangen Zigaretten zu Weihnachten schenken? Aber Spaß beiseite, die wissenschaftlichen Daten zeigen eindeutig, dass Handytelefonieren mindestens genauso gefährlich ist wie das Zigarettenrauchen. Bei Kindern ist der schädliche Effekt sogar noch höher. Darauf hat ja die oberste europäische Umweltbehörde oder die russische Strahlenschutzkommission schon mehrfach warnend hingewiesen.
SZ: Warum sind Handystrahlen vor allem für Kinder gesundheitsschädlich?
Dr. Mutter: Säuglinge und Kinder haben ein Gehirn, welches sich im Wachstum befindet. Und jedes schnell wachsende Gewebe reagiert empfindlich auf die Strahlung. Weiterhin ist der Schädelknochen von Kindern noch nicht dick verkalkt, so dass in ein Kinderhirn mehr Strahlung eindringt als in ein Erwachsenenhirn. Die internationalen Grenzwerte, welche an einer wassergefüllten Puppe mit 30-minütiger Einstrahlung festgelegt wurden, schützen uns nur vor der Hitzewirkung dieser Strahlung. Das Gehirn wird durch die Handystrahlung also nur um ein paar Hundertstel Grad Celsius erwärmt. Die Grenzwerte schützen aber nicht vor den biologischen Wirkungen der Handystrahlung. Und da gibt es bezüglich der Schädigung der menschlichen Erbsubstanz, also der DNA, keinen Unterschied zwischen radioaktiver Gamma- und Handystrahlung. Beide Strahlungsarten führen zu denselben Erbsubstanzschäden. Dies wurde in einer von der EU geförderten Studie an 14 europäischen Forschungszentren eindeutig bewiesen.
SZ: Gibt es weitere Studien, die solche Ergebnisse belegen?
Dr. Mutter: Die neuesten Ergebnisse der bisher größten und aufwendigsten Studie der Geschichte zu diesem Thema liefert eine WHO Studie. Dabei kam heraus, dass junge Erwachsene, die in ihrer Kindheit oder Jugend mit dem Handy telefonierten, ein 5,2-fach erhöhtes Risiko haben an einem bösartigen Hirnkrebs zu erkranken, im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die nie mit dem Handy telefonierte. Wohlgemerkt — der schädliche Effekt zeigt sich schon nach einer Anwendungsdauer von 10 Jahren. Um die Schädlichkeit von Zigarettenrauchen zu beweisen, benötigen Sie 40 Jahre Beobachtungsdauer.
Mehrere Forschungen der Universität Lund in Schweden haben darüber hinaus gezeigt, dass die Handystrahlung aus einer Entfernung von 1,80 Meter noch schädlicher ist — und zwar auf die Blut-Hirn-Schranke und Gehirnproteine. Kinder sind heutzutage im Grunde ständig dieser Strahlung ausgesetzt. Denken Sie nur an Schulen, wo bald jedes Kind ein Handy trägt und benutzt oder DECTund WLAN Anlagen in Betrieb sind, die ja auch senden, wenn nicht telefoniert wird oder nicht gesurft wird.
SZ: Stimmt es, dass sich die Strahlung auch auf den Fötus auswirkt?
Dr. Mutter: Es ist wichtig zu erwähnen, dass auch bei Erwachsenen schädliche Effekte beobachtet werden können. Aber heute sind in der Tat selbst Föten betroffen. Ein Teil der oben genannten WHO-Studie hat nämlich untersucht, wie der Gesundheitszustand von Kindern ist, deren Mütter in der Schwangerschaft das Handy benutzten. Das brisante Ergebnis: Die im Mutterleib bestrahlten Kinder litten häufiger an Aufmerksamkeitsstörungen als ihre vorgeburtlich unbestrahlten Genossen.
SZ: Wenn Kinder nur ab und zu mit dem Handy telefonieren ist das genauso riskant, wie wenn man täglich länger damit telefoniert?
Dr. Mutter: Nun, weniger zu telefonieren ist schon gesünder. Das ist ähnlich wie beim Rauchen: Eine Zigarette pro Tag macht nicht so viel aus, wie 20.
Anmerkung Gigaherz:
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