Hochspannungsleitungen – Der grosse Volksbeschiss
Am 23. März veröffentlichte Gigaherz unter dem Titel „So bescheisst der Bundesrat das Volk“ einen vorläufigen Kurzbericht mit der Ankündigung demnächst Fakten und Hintergründe nachzuliefern.
https://www.gigaherz.ch/so-bescheisst-der-bundesrat-das-volk/
Einzelne „vornehme“ Leser fanden den Titel dann doch etwas stark, mussten aber nach eingehendem Studium der Faktenlage zugeben, dass dies noch ganz moderat ausgedrückt sei.
von Hans-U. Jakob
Schwarzenburg, 14.4.2016
Hintergründe und Fakten zum arglistigen Täuschungsmanöver, welches der Schweizer Bundesrat mit der Änderung der Verordnung zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung abgeliefert hat.
Bild 1: Im Juni 2007 wurde diese Regel über Abstände bei Hochspannungsleitungen in die Vollzugshilfe des Bundesamtes für Umwelt zur Verordnung über Nichtionisierende Strahlung aufgenommen.
Für den Fall, dass sich die 1-Mikrotesla Isolinien der Magnetfelder der Leitungen nicht überschneiden, muss jede Leitung für sich allein an Orten empfindlicher Nutzung den Grenzwert von 1 Mikrotesla einhalten.
Berühren oder überschneiden sich die beiden 1-Mikrotesla Isolinien, gelten die 2 Leitungen als eine Anlage, und beide Leitungen zusammen müssen an Orten empfindlicher Nutzung den 1-Mikrotesla Grenzwert einhalten.
Orte empfindlicher Nutzung (OMEN) sind Wohnräume, Schulräume, Krankenzimmer, Innenraum-Arbeitsplätze usw.
Bild 2: Eines schönen Tages kam einem besonders schlauen Juristen in der Bundesverwaltung in den Sinn, dass wenn neben einer alten Leitung, die noch vor dem Februar 2000 in Betrieb ging, und infolgedessen noch dem alten Grenzwert von 100Mikrotesla unterstellt war, eine neue Leitung erstellt werde, deren 1-Mikrotesla Isolinie diejenigen der alten Leitung überschneide, das Ganze als alte Anlage zu betrachten sei, die lediglich den Grenzwert von 100Mikrotesla einhalten müsse.
Also eine neue Leitung unmittelbar neben einer alten erstellt, sollten zusammen eine alte Anlage mit dem Magnetfeld-Grenzwert von 100 Mikrotesla bilden.
Blödsinn sagt Jakob. Dann können die Strombarone überall im Land neue Leitungen einfach parallel zu alten erstellen, ohne irgendwo den neuen Grenzwert von 1 Mikrotesla einhalten zu müssen.
Bild 3: Im Sommer 2009 traf dieser Fall dann tatsächlich ein und zwar im Gebiet der Hohlen Gasse zu Küssnacht in der Landenge zwischen Vierwaldstätter- und Zugersee. Etwa in der Gegend wo einst Willhelm Tell den Landvogt Gessler erschoss.
Landeigentümer und Anwohner wollten sich den Blödsinn mit den 100Mikrotesla nicht bieten lassen und zogen den Fall unter Assistenz von Gigaherz bis vor das Schweizerische Bundesgericht.
Blödsinn sagte auch das Bundesgericht, wenn auch etwas vornehmer und hob die Plangenehmigung auf.
Urteil 1C_172/2011
Das Bundesgericht ging sogar noch einen gewaltigen Schritt weiter und befand, dass fortan der 1Mikrotesla-Grenzwert auch bei der Sanierung von alten Einzel-Leitungen (ohne Parallelführung) einzuhalten sei. (Erwägungen 3.7.1 und 3.7.2.
Es gelte der Grundsatz nach Art. 18 Abs.1 Umweltschutzgesetz.
Das war dicke Post aus Lausanne!
Zitate aus Urteil 1C_172/2011 (Hohle Gasse)
3.7.1…………..
Allerdings hielt das Bundesgericht fest, dass Ziff. 16 Anh. 1 NISV – wie alle Bestimmungen der NISV und ihrer Anhänge – im Lichte der Grundsätze des USG ausgelegt und angewandt werden müsse. Die Regelung dürfe nicht dazu führen, dass bestehende Hochspannungsleitungen über Jahrzehnte hinweg weiterbetrieben und sogar modifiziert werden könnten, ohne dass je auch nur geprüft werde, ob es weitere wirtschaftlich zumutbare Massnahmen zur vorsorglichen Emissionsbegrenzung gebe. Das Bundesgericht deutete an, dass die in Ziff. 16 Anh. 1 NISV enthaltene Privilegierung von Altanlagen möglicherweise zeitlich befristet werden müsste. Jedenfalls aber sei eine weitergehende Prüfung emissionsbegrenzender Massnahmen bei einer wesentlichen Änderung der Anlage gemäss Art. 18 USG geboten (E. 4.6).
Dies hat zur Folge, dass sich die Genehmigungsbehörde jedenfalls bei einer wesentlichen Änderung der Anlage nicht mit dem Verschlechterungsverbot gemäss Art. 9 Abs. 1 lit. a NISV und der Optimierung der Phasenbelegung (Ziff. 16 Anh. 1 NISV) begnügen darf.
3.7.2 Auch in der Literatur wird die Auffassung vertreten, Art. 9 NISV müsse im Lichte von Art. 18 USG ausgelegt werden.
Für BEATRICE WAGNER PFEIFFER (Umweltrecht I, 3. Aufl., Rz. 618 S. 211 f.) ergibt sich aus Art. 18 Abs. 1 USG bei einer wesentlichen Änderung einer sanierungsbedürftigen Anlage grundsätzlich die Pflicht zur Einhaltung der Anlagegrenzwerte (1Mikrotesla). Zwar seien Erleichterungen nach Art. 18 Abs. 2 USG nicht von vornherein ausgeschlossen, jedoch sollte im Falle der Bewilligung einer wesentlichen Änderung der Widerruf bisher gewährter Erleichterungen eigentlich die Regel bilden. ANDRÉ SCHRADE/HEIDI WIESTNER (USG-Kommentar, N 36 zu Art. 18) halten fest, dass Art. 9 Abs. 1 lit. a NISV lediglich ein Verschlechterungsverbot enthalte. Art. 18 USG wolle aber mehr erreichen: Die Bestimmung sehe eine gleichzeitige Sanierung vor und lasse Erleichterungen kaum mehr zu. Bei der wesentlichen Änderung einer sanierungsbedürftigen Anlage genüge es deshalb nicht, nur den bisherigen Zustand beizubehalten, sondern sei in der Regel der Anlagegrenzwert (1Mikrotesla) einzuhalten.
Auch REGULA HUNGER (Die Sanierungspflicht im Umweltschutz- und im Gewässerschutzgesetz, Diss. Zürich 2010, S. 115) geht davon aus, dass Art. 9 NISV nur auf Anlagen anwendbar sei, die nicht wesentlich verändert werden. Bei einer wesentlichen Änderung sei hingegen der Anlagegrenzwert (1Mikrotesla) einzuhalten. Ende der Zitate
Klammern zum besseren Verständnis durch den Verfasser eingefügt. Der Anlagegrenzwert beträgt immer 1 Mikrotesla. 100Mikrotesla wird nur der alte Immissionsgrenzwert genannt.
Bild 4: Der verantwortliche Schweizer Bundesrat für das Jahr 2016
Es ist unfassbar, was nun der Bundesrat am 23.März 2016 aus diesem, zu Gunsten von Zehntausenden von Anwohnern von Hochspannungsleitungen ausgefallenen Bundesgerichtsurteil gemacht hat.
Der Bundesrat verbietet kurzerhand die einzigen 2 Möglichkeiten, die zur Einhaltung des 1Mikrotesla-Grenzwertes führen können. Alles andere als eine Verschiebung oder eine Erdverlegung führen nämlich nicht zum erforderlichen Resultat.
Sie trauen dem Bundesrat so viel Hinterlistigkeit nicht zu? Dann lesen Sie doch bitte selbst.
Zitate aus der geänderten NISV vom 23.März 2016
Ziff. 17 Änderung alter Anlagen
1 Geänderte alte Anlagen müssen im massgebenden Betriebszustand an Orten mit empfindlicher Nutzung den Anlagegrenzwert einhalten.
2 Der Anlagegrenzwert darf überschritten werden, wenn der Inhaber der Anlage nachweist, dass:
a. die Phasenbelegung, soweit dies technisch und betrieblich möglich ist, optimiert ist; und
b. alle Massnahmen nach Ziffer 15 Absatz 2 Buchstabe b getroffen werden, soweit sie nicht unter den Vorbehalt von Absatz 3 fallen.
3 Folgende Massnahmen müssen nicht getroffen werden:
a. die Verkabelung von Leitungssträngen einer Nennspannung von
220 kV oder mehr;
b. die Verkabelung von Leitungssträngen der Frequenz von 16,7 Hz;
c. die Verlegung an einen anderen Standort von Leitungen mit Leitungssträngen einer Nennspannung von 220 kV oder mehr; oder
d. die Verlegung von Kabelleitungen an einen anderen Standort.
4 Die Massnahmen nach Absatz 2 sind so auszuführen, dass im massgebenden Betriebszustand das Ausmass der Überschreitung des Anlagegrenzwerts minimiert wird.
Kommentar:
Unter der Assistenz von Gigaherz.ch wurden insgesamt 3 Bundesgerichtsfälle gewonnen, die eine Erdverlegung von Hochspannungsleitungen erzwungen hätten. Es sind dies Wattenwil-Mühleberg, Lauerz und Hohle Gasse.
Anstatt nach Erscheinen der Urteile eine Erdverlegung zu planen, haben die Strombarone Politiker und Bundesämter instrumentalisiert und im geheimen die notwendigen Gesetzesänderungen vorbereitet, um sowohl das Bundesgericht wie Zehntausende von Anwohnern nach Noten zu bescheissen. Anders kann man ein solches Vorgehen nicht mehr benennen. Eine besonders schlechte Figur hat dabei Frau Bundesrätin Doris Leuthard gemacht, die sich über Jahre hinweg geweigert hat Fachleute von Gigaherz anzuhören. Ganz im Gegensatz zu der Regierung des österreichischen Bundeslandes Salzburg.
Wen wundert es da noch, dass die Schweiz auf der Rangliste der korruptesten Länder der Welt immer noch auf Rang 8 steht.
Mit der Änderung der NISV vom 23. März hat der Bundesrat unseres Erachtens nun die Grenze zur Kriminalität überschritten.
Siehe unter https://www.gigaherz.ch/hochspannungsleitungen-und-krebs-1659/
Ganz abgesehen davon, dass weitere Husarenstücke gegen die Anwohner von Hochspannungsleitungen geplant sind.
Siehe unter https://www.gigaherz.ch/durchschaut/ und https://www.gigaherz.ch/hochspannungsleitungen-es-kommt-noch-viel-dicker/
Dass die Änderung der NISV von langer Hand vorbereitet und dass schon Jahre zum Voraus mit massiven Erleichterungen für die Strombarone Hochrüstungen von alten Leitungen projektiert wurden, zeigt dieser Artikel hier: https://www.gigaherz.ch/380kv-chippis-bickigen-brief-an-die-gemeinderaete/
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