Hochspannungsleitungen -Es kommt noch viel dicker
Wie jetzt das Departement Leuthard (UVEK) im Konsens mit den Bundesämtern BFE, BAFU, ARE und der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid die Bundesgerichtsurteile pro Erdverlegung von Hochspannungsleitungen unterlaufen will.
von Hans-U. Jakob
Schwarzenburg, 9.12.2014
Mit dem Bundesgerichtsurteil 1c_129/2012 vom 12.11.2012 wurde die vom Bundesamt für Energie erteilte Plangenehmigung für die 230/132kV-Hochspannungsleitung von Wattenwil nach Mühleberg über die Gesamtlänge von 33km aufgehoben und für 23 zusammenhängende Kilometer die Projektierung einer Bodenverkabelung verfügt. Was der in der Schweiz mit grossem Abstand längsten je erstrittenen Kabelstrecken entspricht und in ganz Europa zu grossem Aufsehen geführt hat. Siehe unter https://www.gigaherz.ch/hochspannunsleitung-wattenwil-muehleberg/
Die Bernischen Kraftwerke und Swissgrid hätten gemäss Bundesgericht 9 Jahre Planungsarbeit und weitere 9 Jahre gigantische Juristerei als Altpapier entsorgen müssen.
Bild links: Boden-Verkabelungen von Hochspannungsleitungen sind heute – vorausgesetzt der Wille dazu ist vorhanden – Stand der Technik. Im Bild Einzug eines Einzelleiters.
Wie nun anhand verschiedener in die Vernehmlassung geschickter Gesetzesvorlagen feststellbar ist, wurde die Zeit zwischen dem Bundesgerichtsurteil vom 12.11.2012 bis heute nicht etwa dazu benutzt, die vom Bundesgericht verfügten Verkabelungsvarianten zu studieren, sondern um Gesetzesänderungen vorzunehmen, die dieses Bundesgerichtsurteil unterlaufen und faktisch ausser Kraft setzen.
Mit der Änderung der Verordnung über Nichtionisierende Strahlung (NISV) sollte vorerst einmal der Fortbestand und die Hochrüstung alter Leitungen gesichert werden.
Im Fall Wattenwil Mühleberg könnte damit die Transportkapazität der 72 Jahre alten Leitung von Wattenwil nach Mühleberg am bestehenden Ort auf die 5-Fache Transportkapazität gesteigert werden und die direkten Anwohner dürften die nächsten 70 Jahre mit einer 2 bis 3-fachen Grenzwertüberschreitung des Magnetfeldes leben oder auch vorher sterben.
Siehe unter https://www.gigaherz.ch/vernehmlassung-zur-aenderung-der-nisv/
Es kommt noch dicker
Jetzt werden auch noch neue Leitungen von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung „befreit“
Der Bundesrat hat Anfangs Dezember 2014 ein neues Bundesgesetz über den Um- und Ausbau der Stromnetze, das heisst über die Änderung des Elektrizitätsgesetzes und die Änderung des Stromversorgungsgesetzes in die Vernehmlassung geschickt.
Das Wichtigste in Kürze
Aufgepasst: Es wird unterschieden zwischen Übertragungsleitungen der sogenannten Ebene 1 (Verantwortung Swissgrid) das heisst, 220kV und höhere und zwischen Verteilleitungen der Ebenen 3, 5 und 7, tiefer als 220kV (Verantwortung Kraftwerke wie BKW, Alpique usw.)
Stufen mit geraden Zahlen betreffen Unterstationen und Trafostationen.
Übertragungsleitungen sollen auf die Stufe von Werken von nationaler Bedeutung erhoben werden.
Gleichwertig mit Landschaften von nationaler Bedeutung mit mehr Gewicht, als kantonale und kommunale Schutzgebiete.
Welches der beiden nationalen Interessen von höherer Bedeutung ist, entscheidet dann nicht mehr das Bundesgericht, sondern allein der Bundesrat.
Die Bodenverkabelung des 220kV-Stranges von Wattenwil nach Mühleberg hätte sich damit bereits erledigt.
Für neue Leitungen bestimmt die Swissgrid, von wo nach wo diese führen. Das Bundesamt für Energie setzt dann eine Arbeitsgruppe ein, bestehend aus Vertretern der Bundesämter wie BFE, BAFU und ARE, verschiedener kantonalen Ämter und der Swissgrid, welche mehrere Korridore durch die Landschaft prüfen und anhand eines dubiosen Bewertungsschemas „Kabel oder Freileitung“ (1) dem Bundesrat zwei Korridorvarianten vorschlagen. Die Gemeinden werden dabei nur noch angehört, die Anwohner werden zwecks „besserer Akzeptanz“ lediglich noch orientiert.
Der Bundesrat entscheidet sich dann in einem Bundesratsbeschluss für eine der beiden Varianten. Gegen diesen Bundesratsbeschluss gibt es keine Einsprachemöglichkeit mehr. Dieser steht auf Stufe Gesetz und das Bundesgericht kann dagegen nichts mehr ausrichten.
Die Information der betroffenen Bevölkerung soll zwecks besserer Akzeptanz gewaltig verbessert werden, dafür nimmt man ihr die Einsprachemöglichkeit weg.
Das heisst, das Bundesamt für Energie (BFE) soll allein darüber bestimmen können, ob für ein Projekt überhaupt noch Einspracheverhandlungen durchgeführt werden oder nicht. Was ja gegen einen Bundesratsbeschluss ohnehin völlig aussichtslos ist.
Für Verteilleitungen der Stufen 3,5 und 7 (132-60-16kV) soll Folgendes gelten:
Diese sind prinzipiell im Boden zu verkabeln, ausgenommen dann, wenn die Bodenverkabelung mehr als 3 mal teurer zu stehen kommt als eine Freileitung. Zur Anwendung kommt dabei wiederum das dubiose Bewertungsschema „Kabel oder Freileitung“(1) Ob die Transportverluste bei dieser Kalkulation eingerechnet werden müssen oder nicht, steht nicht im neuen Gesetz sondern in den Sternen.
Es steht überhaupt viel zu viel in den Sternen.
Wenn ein Gesetz, bestehend aus 10 Seiten 83 Seiten dubios und unverbindlich formulierte Erläuterungen benötigt, ist höchstes Misstrauen am Platz. Man kauft sicher nicht die Katze im Sack.
Alle Ersatzmassnahmen für eine zerstörte Landschaft durch eine Leitung der Stufe 1, sollen bei Leitungen der Stufen 3-7 vorgenommen werden. Aber nur soweit der Mehrpreis für eine Bodenverkabelung nicht über Faktor 3 liegt.
Ende der Vernehmlassungsfrist ist der 16.März 2015
Wer die 100 Seiten selber studieren möchte kann diesen Link anklicken: http://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/pendent.html#UVEK und dann bis zu Strategie Stromnetze hinunterscrollen.
Mit dem selben Zeitaufwand, den man für das Entwerfen dieser Gesetze aufgewendet hat, hätte man längstens ein Kabelprojekt von Wattenwil nach Mühleberg auf die Beine stellen können. Das wäre wahrscheinlich erst noch billiger gekommen.
Es sieht da nach einer europaweiten Verschwörung der Stromnetzbetreiber gegen jegliche Bodenverkabelung aus.
Bemerkungen zu (1)
Im Bewertungsschema Kabel oder Freileitung können Plus- oder Minuspunkte für die Bodenverkabelung verteilt werden. Die Fragestellung ist indessen so aufgezogen, dass eine Bodenverkabelung praktisch nirgends mehr in Frage kommt. So wird zum Beispiel dem Schutz der Würmer und Käfer im Boden mehr Aufmerksamkeit geschenkt als der Gesundheit der Anwohner.
Die Punkteverteilung hängt übrigens über weite Strecken vom persönlichen Empfinden der Gruppenmitglieder ab. Und die Schönheit einer Landschaft lässt sich zudem überhaupt in kein Punkteschema pressen. Das empfindet jeder Mensch ganz anders.
Sehen sie dazu bitte auch https://www.gigaherz.ch/bundesaemter-immer-noch-nicht-auf-dem-stand-der-technik/
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