Liechtenstein: Und der Rest der Welt schaut ganz genau hin
So oder so: Stefan M. Larass-Greger, Geschäftsführer der Enorm GmbH, hegt keine Befürchtung, dass die Mobilfunklichter in Liechtenstein bald ausgehen. Scheitert ein tieferer Mobilfunkgrenzwert allerdings, dann, so ist er überzeugt, sicher nicht an der Technik.
Interview mit Desiré Vogt in der Liechtensteinischen Tageszeitung Vaterland vom 27./28.11.09
Herr Larass-Greger, Ihre Firma Enorm GmbH hat in Sachen Mobilfunk und Immissionsschutz bereits im Jahr 2005 eine Studie für die Regierung verfasst. Jetzt, vier Jahre später, wurden erneut Studien in Auftrag gegeben, um in Erfahrung zu bringen, ob und wie der Grenzwert von 6 auf 0,6 V/m gesenkt werden kann. Hat es in den vergangenen Jahren grössere technische Fortschritte gegeben, die Sie die Frage nach einer Grenzwertsenkung neu beurteilen lassen würden?
Stefan M. Larass-Greger: Es wurde in den vergangenen Jahren an einem neuen Standard der Zukunft als Ergänzung und Ablösung für UMTS gearbeitet, der LTE heisst, also «long term evolution». Patente und bekannte Prinzipien, wie adaptive Antennen oder mit Glasfaser fern der Station abgesetzte Antennen («remote radio head») wurden zur bezahlbaren Marktreife entwickelt. Bisher dienen solche Entwicklungen und der Fortschritt ausschliesslich dazu, die Kapazität und Leistung der Mobilfunknetze zu steigern und den Kunden noch bessere Dienste anzubieten. Solche Innovationen könnten aber auch dazu dienen, die bestehenden Dienste umweltfreundlicher, immissionsärmer und damit konfliktfreier einzusetzen.
Also hat es für den Immissionsschutz keine Fortschritte gegeben. Wo sind denn die Hemmnisse, im Mobilfunk stärkeres Gewicht auf eine niedrige Strahlenbelastung zu legen?
Für eine massvolle Grenzwertsenkung auf 0,6 V/m dürfte unbestritten sein, dass kleine Datenanwendungen, SMS oder WAP-Dienste, selbst Telefongespräche als zeitkritische Anwendung kein Problem darstellen. Niemand muss ernsthaft befürchten, dass man gar nicht mehr im Land erreichbar ist und keine Notrufe mehr absetzen kann, wenn der strengere Omen-Grenzwert in Liechtenstein bestehen bleibt. Für die Frage von Datenübertragungen gibt es sicher Beschränkungen oder einen Mehraufwand. In Konkurrenz zu einem hochwertigen ADSL- oder Glasfasernetz kann ein Mobilfunknetz kaum oder gar nicht mithalten. Dann stellen zusätzliche Einschränkungen bei der elektromagnetischen Feldstärke erst recht die Unterschiede klar. Die Netzbetreiber bestehen daher auf den besten Bedingungen und der grösstmöglichen Freiheit in der Netzplanung. Denn: Vorauseilend zum technischen Fortschritt bei der Datenfunkübertragung werden diese Fortschritte bereits in Form aggressiven Marketings an den Kunden gebracht. Hier werden den Konsumenten mit einer Leichtigkeit Dinge versprochen, die technisch höchste Herausforderungen darstellen oder gar nicht in der Fläche erfüllbar sind. So nehmen Kunden Trends frühzeitig auf, die Nachfrage wächst tatsächlich. Es entsteht ein Kreislauf, der die Netzbetreiber massiv unter Druck stellt: Zeit-, Innovations- und Investitionsdruck. Fragen zum erhöhten Immissionsschutz sind dann sehr hinderlich und eher lästig. Nicht, dass dieser Innovationsdruck nicht gewollt ist, aber man darf bei hohem Wettbewerbsdruck nicht gleichzeitig erwarten, dass die Marktteilnehmer freiwillig an härteren oder nur neuen Spielregeln für sich selbst mitwirken, also als Bild «die Frösche den Sumpf trockenlegen», wenn Sie so wollen.
Der Verein für gesundheitsverträglichen Mobilfunk (VGM) hat auf das UHS-Konzept verwiesen, dass Sie bereits in Ihrer Studie von 2005 angesprochen haben. Ganz generell: Die Regierung spricht in diesem Zusammenhang von Kleinzellen, der VGM von getrennten Sende- und Empfangsantennen. Ist beides möglich bzw. was ist denn nun Ultra High Site genau?
Hier werden einige Begriffe vermischt und gleichzeitig, statt nebeneinander verwendet. UHS heisst übersetzt «ultra high site» und beschreibt ein Versorgungsprinzip, bei dem von wenigen, sehr hoch liegenden Standorten aus dichte Versorgungsgebiete mit schmalen, engwinkligen Sektoren versorgt werden. Man bestreicht «von oben» ein Gebiet und setzt an einem Standort drei- oder sechsmal mehr Sektoren als an einer normalen Station ein. Die Ausgangsleistung an den Geräten ist übrigens die gleiche wie an normalen Standorten, nur der Bündelungsgewinn der Antennen ist höher. Der Betreiber «Eplus» in Deutschland als UHS-Patentgeber hat Stadtzentren von hohen Sendetürmen aus mit UMTS versorgt, die Testergebnisse seiner Stationen als sehr positiv erprobt und ist damit in die Fläche gegangen. In Liechtenstein könnte man statt eigener, hoher Masten den ansteigenden Alpenhang als Grundlage nutzen. Entsprechende Berechnungen zum denkbaren Erfolg hatten wir in unserer Studie beispielhaft gezeigt. Der Antrieb in Deutschland für UHS war aber nicht der Immissionsschutz, dieser ist ein Nebenprodukt. Nein, die Motivation war eine erhebliche Kosten- und Zeiteinsparung, man wollte und konnte auf diese Weise über die Hälfte der Standorte und damit der Infrastrukturkosten einsparen und schneller bauen. UHS ist daher ein sehr gutes Beispiel, dass sich Umweltschutz, Innovation und Wirtschaftlichkeit überhaupt nicht widersprechen müssen, im besten Fall geht das Hand in Hand.
Und Kleinzellen?
Kleinzellen, auch Mikrozellen genannt, sind heute bereits ein selbstverständlicher Bestandteil von Netzplanungen. Sie kommen dort zum Zuge, wo in Fussgängerzonen, auf Bahnhöfen, bei Messen oder anderen halböffentlichen Räumen mit hoher Nachfrage gerechnet wird, aber die Schirm- oder Makrozellen keine ausreichende Versorgungsdichte bieten können. Sie senden meist nur mit wenigen Watt Leistung, und sind sehr nah an den Kunden. Es ist aber schwer vorstellbar, dass man einzelne Ebenen der Hierarchie und vor allem die grossen Schirmzellen «weglässt», wo doch diese in der Regel die gesamte Versorgungsfläche organisieren und die sich bewegenden Teilnehmer erfassen und in die Festnetze weiterreichen. Kleinzellen können aber Lücken und Schwächen der Versorgung mit Schirmzellen ausgleichen oder im UHS-Konzept z. B. Interferenzprobleme aufheben. Schwer denkbar ist, ein Gebiet nur mit Dutzenden oder Hunderten von Kleinzellen flächendeckend, störungsfrei, aber zugleich immissionsarm zu versorgen. Auf den ersten Blick verlagert man die «grossen» Probleme meiner Ansicht nach nur in sehr viele kleine. Viel aussichtsreicher und interessanter halte ich dagegen, den hierarchischen Einsatz der Senderarten optimal auf die Topografie und Nachfrage zu beziehen. Dabei könnte auch die Innovation der getrennt vom Empfang aufgestellten Sendeantennen eine erhebliche Rolle spielen, seit über Glasfaserkabel fern abgesetzte Antennen auch mit der Signalverarbeitung der Hersteller eingebunden werden.
In einer Stellungnahme, um die Sie der VGM gebeten hat, haben Sie die Trennung von Empfangs- und Sendeantennen aus Sicht des Gesundheitsschutzes als «Königsweg» bezeichnet. Können Sie näher ausführen, warum dies aus gesundheitlicher Sicht die beste Lösung darstellen soll?
Die Verbindung der Endgeräte zum Netz ist anders als beim Fernsehen oder Rundfunk keine Einbahnstrasse. Nicht nur der leistungsstarke Sender auf dem Dach oder vom Berg muss zum Endgerät «hinunter»-funken, es muss auch umgekehrt das Endgerät wieder zur Sendestation «hoch»-senden. Man nennt dies «downlink» und «uplink». Diese Verbindung über die Luft «up n’ down» muss dieselbe Entfernung überwinden, notfalls durch Wände gehen und um Ecken, unterliegt physikalisch der Dämpfung, die den Feldern auf dem Weg begegnet. Man sagt, sie hat dafür eine beschränkte Leistung, ein «link budget» zur Verfügung. Das Limitierende dabei sind meist gar nicht die grossen leistungsstarken Sender auf dem Dach, die mit bis zu 40 Watt Sendeleistung und hoher Fokussierung senden. Das kleine, mobile Endgerät hat selbst nur wenige Milliwatt bis zu zwei Watt Leistung und eine ungerichtete Antenne zur Verfügung. Sein Akku soll stromsparend eingesetzt werden, um tagelang zu halten, zudem ist das Gerät nahe am Körper des Nutzers, vielleicht in einer Jacke versteckt. Wenn nun die im 24h-Dauer- betrieb sendende Mobilfunkbasisstation räumlich getrennte Antennen für das Senden und Empfangen aufweisen, dann können die Sendeantennen mit starker Leistung ausserhalb der Wohngebiete angebracht werden und mehrere Empfangsantennen, die nicht senden, sondern nur die schwächeren Signale der Handys empfangen, stünden innerhalb der Wohngebiete und damit möglichst nahe an diesen. Damit würde nicht nur die Belastung durch die Mobilfunkbasisstationen durch deren Entfernung abnehmen, sondern auch die Endgeräte könnten ihre Sendeleistung herunter- regeln und die Nutzer schonen. Dieses Prinzip der Trennung nannte ich einen «Königsweg», da das Modell nur Gewinner aufweist. Sowohl die Telefonnutzer selbst als auch unbeteiligte Nachbarn werden in geringstem Mass belästigt.
Diese beschriebenen Sende- und Empfangsantennen könnten bei diesem Modell mit Glasfaserkabel verbunden werden. Wie funktioniert das bzw. wie gelangt das Signal schliesslich zum Handy?
Bei jeder Mobilfunk- oder Radioantenne wandelt sich beim Empfang ein anliegendes hochfrequentes elektromagnetisches Feld in eine elektrische Spannung um, aus der man ein Signal oder reduziert eine Information herauslesen kann. Beim Senden geht es genau um- gekehrt: Aus der elektrischen Spannung wird ein HF-Feld, dass sich über grosse Entfernungen ausbreitet und messen lässt. Beim Telefonieren mit dem Handy wandelt das Handymikrofon meine Stimme in eine elektrische Spannung um, welche vereinfacht an der Natelantenne in ein elektromagnetisches Feld verwandelt wird. Dieses Feld in der «Luft», im Äther, empfängt die Basisstation des Operators mit seiner Antenne und wandelt es um in wieder ein elektrisches Feld. Dieses wird als elektrische Spannung über Kabelverbindungen weiter in das Festnetz geleitet, und von dort wieder weiter zu meinem Gesprächspartner, der wieder ein Natel oder Festtelefon in der Hand hält. Dessen Signale nehmen genau denselben Weg –nun rückwärts bis zum Lautsprecher an meinem Ohr. Das Problem bei jeder Technik sind Schnittstellen und die notwendige Umwandlung allgemein, der Verlust von Signalen über Strecken und die begrenzte Kapazität bei konventioneller Technik. Insbesondere nach seiner Umwandlung vom Funk- in ein sehr schwaches elektrisches Feld ist der Weitertransport zur Systemtechnik und damit zur eigentlichen Weiterverarbeitung begrenzt. Kupferkabel und Koaxial- oder Hohlleiter sind teuer, und ihre zulässige Länge zwischen Antenne und Systemtechnik bemisst sich in 10, 20 oder auch mal 50 Metern. Glasfaserkabel dagegen übertragen Lichtsignale nahezu ohne Verlust über lange Strecken, benötigen dazu kaum Leistung und besitzen eine enorme Kapazität. Es sind auf dem Markt schon seit einiger Zeit erprobte Geräte verfügbar, die die Signale gleich in optisches Licht verwandeln, sogenannte Multiplexer, die auch jede Art von Mobilfunktechnik anbinden können. Zudem ist man in der Lage, alle Verbindungen zeitgenau zu takten. Wenn nun wie in Liechtenstein Glasfaserkabel ?ächendeckend an nahezu jedem Ort verlegt sind, dann ist es naheliegend, nicht nur die Basisstationen und das Festnetz untereinander mit Glasfaser zu verbinden, sondern auch im Einzelfall möglich, mehrere Sende, bzw. Empfangsantennen von der eigentlichen Basisstation über eine gewisse Entfernung abzusetzen, wenn dies der besseren Versorgung oder dem Immissionsschutz dient. Dabei spart man sich –anders als bei einem Kleinzellennetz –die Vielzahl der Basisstationen. Das unterirdische U-Bahnnetz der Stadt München wurde erst kürzlich mit Mobilfunk ausgerüstet und funktioniert auf genau diese Weise äusserst effektiv, hochkapazitiv und günstig. Die Netzbetreiber unter der Regie eines Betreibers nutzen dabei die Glasfaserkabel der kommunalen Stadtwerke und haben ihre Systemtechnik zentral in einem Zwischengeschoss unter dem Hauptbahnhof zusammengefasst. Die zentrale Aufstellung der Systemtechnik in einem sogenannten «Hotel» bei ?ächendeckender Verteilung von Hunderten von Antennen in allen Tunneln und Bahnhöfen erlaubt es je nach Nachfrage und «Last» im Netz, die verfügbare Kapazität nur durch Softwareeinsatz über Glasfaser an den Ort zu verteilen, wo diese aktuell gefragt ist. Die Auslastung aller Geräte nimmt zu und es ist nur ein Bruchteil der Investitionen notwendig für eine höchstmögliche Kapazität. Zugleich teilen sich die Betreiber alle möglichen Einrichtungen in der ganzen Stadt und im Untergrund und sparen erhebliche Kosten. Das Prinzip funktioniert längst und ist im Praxiseinsatz angekommen.
Ein Konzept mit getrennen Empfangs- und Sendeantennten in Kombination mit Glasfaserkabel bietet aus Ihrer Sicht gesundheitliche Vorteile. Wo liegen aber die Nachteile?
Stefan M. Larass-Greger: Ich würde diese Frage nicht so stellen und will sie auch nicht so beantworten. Es ist in Grenzen eben nicht zwingend, dass sich gesundheitliche Anforderungen, wie eine erhöhte Vorsorge mit niedrigeren Werten und der innovative, technologische Fortschritt widersprechen müssen. Gerade die von uns diskutierten Verfahren sind kein Rückschritt für die Technologie, sondern Innovation auf höchstem Niveau, sogar leistungsfähiger und wirtschaftlicher, als man bisher planen konnte. Es kann in dieser Hinsicht sein, dass investitionsfreudige Entwicklungsländer wie China bereits neuere Technologien einsetzen, als dies derzeit in unseren Breiten üblich ist. Es hat sich auch in anderen Bereichen herausgestellt, dass sich Umweltschutz und High-Tech nicht widersprechen. Wer denkt heute noch daran, dass man bei Einführung der Katalysatoren behauptet hat, die Autos würden nur noch schleichen, nach 80 000 km Laufleistung wären Motoren verschlissen? Es wurde Gesetz und kein Hahn krähte mehr danach. Heute ist der Sektor mit alternativen Energien in Deutschland Triebkraft einer stabilen Entwicklung und die führende Industrie- und Exportbranche, die die Automobilindustrie überholt. Zu Beginn waren Solaranlagen und Biogasanlagen ein Synonym für den idealistisch verträumten Birkenstockträger, der in seinem mit Schafwolle gedämmten Haus noch erfrieren wird. Heute sind sie eine Selbstverständlichkeit und Weltkonzerne wie die Allianz planen Solarkraftanlagen in der Sahara!
Sind solche alternative Versorgungslösungen mit Glasfaserverbindungen für Mobilfunkbetreiber überhaupt wirtschaftlich interessant?
Wir planen leider nicht mehr auf der grünen Wiese, es gibt in Liechtenstein bereits bestehende, flächendeckende Netze von drei Mobilfunkbetreibern mit Millioneninvestitionen. Wenn ich einen vielleicht weit hergeholten Vergleich anstellen darf, wundern Sie sich ja auch nicht, dass deutsche Kraftwerksbetreiber ihre alten Atomanlagen nicht abschalten wollen. Mit dieser abgeschriebenen Technik werden täglich Millionen verdient, weil man eine ungelöste Entsorgung ausser Acht lassen darf. Warum sollten also Betreiber freiwillig diese Meiler früher abschalten? Es gab für den Mobilfunk vor ca. 15 bis 20 Jahren eine Ausgangslage, die relativ technologiefreundlich und unkritisch mit den elektromagnetischen Feldern umgegangen ist. Wer konnte auch diesen Boom an Nutzungen vorhersehen? Jeder, der damals sein Geschäftsmodell auf die Füsse gestellt hat, wird jede Veränderung verhindern, die in seinen Augen eine Verschlechterung seiner Rahmenbedingungen darstellt. Eine Anpassung an kritischere Stimmen, die heute eine vorsorgliche Reduzierung verlangen und Rücksicht auf die Vielzahl der HF- Quellen, findet daher nicht statt. Hätten wir die Möglichkeit, gänzlich neu zu planen, würden alle Beteiligten gemeinsam unter den geforderten Bedingungen relativ entspannt eine Lösung suchen und auch finden. Moderne Technik erbringt die geforderte Kapazität der Netze im Vergleich zu nur einem Bruchteil der erstmaligen Investitionen. Zusätzlich könnte man in Liechtenstein die Umsetzung der nun «sanfteren» Mobilfunktechnologien tatkräftig fördern. Es würde sich ergeben, die Glasfasernetze, aber auch weitere eigene Liegenschaften und Unterstützung an den optimalen Standorten den Betreibern grosszügig anzubieten, wenn die dort entstehende Mobilfunkversorgung nachweislich auf dem technisch niedrigsten Immissionsniveau stattfindet. Vielleicht hätten aus heutiger Sicht auch die Pläne für eine gemeinsame Infrastruktur bessere Chancen in der Umsetzung.
Was heisst das für die aktuelle Grenzwertdiskussion in Liechtenstein?
Dass sich ein Netz für Mobiltelefonie bei einem Omen-Grenzwert von 0,6 V/m realisieren lässt, steht für mich ausser Frage. Wie hoch tatsächlich die Einschränkungen im Datenverkehr wären und wie viel mehr Aufwand getrieben werden müsste, ist strittig. Ich halte den Umbauaufwand bei einem landesweiten Kooperationsmodell gar nicht für so hoch, würde vielleicht die Übergangsfristen etwas länger ansetzen. Aber die Bereitschaft der Industrie, an einer Aussöhnung von Ökonomie und Ökologie mitzuwirken, ist angesichts der «drohenden» Vorbildwirkung für andere Länder entsprechend gering. Man wundert sich über die verbreiteten Schreckensnachrichten und Drohungen, erstaunlich, wer sich alles für die vermeintlich gute Sache einspannen lässt. Tatsächlich glaube ich nach wie vor an die Macht der täglichen Umsätze und hege keine Befürchtungen, dass in Liechtenstein bald die Mobilfunklichter ausgehen. Und drohen und erpressen lässt sich der wehrhafte Liechtensteiner auch nicht, da bin ich mir sicher.
Wie könnte bzw. müsste nun konkret vorgegangen werden, sollte eines der Modelle für Liechtenstein interessant erscheinen. Sind Tests bzw. Realversuche wirklich nötig oder könnte man anhand von Simulationsmodellen zuverlässige Aussagen erhalten?
Man erhält mit Planungsinstrumenten bereits heute zuverlässige Aussagen über die Versorgung. Eine Grosszahl der Parameter lässt sich vor dem eigentlichen Aufbau vorhersagen. Dies machen wir nicht anders als die Betreiber, dem Land stehen aus unserer Studie detaillierte Daten- und Rechenmodelle zur Verfügung. Ein Problem ist, dass man bisher den nun nicht partizipierenden Betreibern als alleinige Quelle einer Umsetzung vertraut. Die eigentlichen Innovationen kommen aber von Systemtechnikherstellern und Zulieferern, die wiederum keine eigenen Netze und Konzessionen betreiben. Ob nur noch einer oder zwei der bisherigen Operatoren, die staatliche Telefongesellschaft oder neue Anbieter tätig werden, wenn es um die Umsetzung in den kommenden fünf Jahren geht, würde sich erst zeigen. Vieles spräche dafür, dass man sich einen anspruchsvollen Teil des Landes wie das Zentrum von Vaduz, in dem bereits heute Omen-Auslastungen bei 2, 3 oder mehr V/m und zugleich Versorgungsprobleme und Ausbaupläne vorliegen, vornimmt und das Zusammenspiel der Lösungsansätze anwendet, bevor man es landesweit überträgt.
Der Stimmbürger muss am 4./6. Dezember an der Urne darüber entscheiden, ob der Grenzwert ab dem Jahr 2013 gesenkt werden soll oder nicht. Wenn selbst Experten sich uneins sind und die Aussagen nicht unterschiedlicher sein könnten – was empfehlen Sie dem Liechtensteiner? Woran kann er sich orientieren?
Meines Wissens hat das Parlament als Volksvertretung diese Grenzwertsenkung mit einer Übergangsregelung bereits rechtskräftig beschlossen und nun geht es um eine Gegeninitiative, die diese Immissionssenkung wieder rückgängig machen will, das Volk müsste also nun seiner eigenen Vertretung das Misstrauen aussprechen, wenn der Grenzwert kippen sollte. Ich würde die angebotenen Informationen und deren Quellen genau studieren und mir dann ein Bild machen. Ihre Zeitung hat sich im Rahmen Ihrer Serie sehr viel Mühe gemacht und bietet gute und breit gelagerte Informationen aus den unterschiedlichsten Kreisen. Das Thema ist erschöpfend behandelt. Ganz wichtig erscheint mir, dass die von wem auch immer vorgetragenen Stimmen jeweils in Bezug auf das eigene Fachgebiet und die Herkunft Ihrer Quelle gehört und gewertet werden. Die Einschätzung medizinischer und gesundheitlicher Gefahren ist ganz klar Sache der Ärzte, Mediziner und Biologen. Aus dieser Richtung müssen die wichtigen Signale kommen, die Gefahren und Folgen für den Menschen abschätzen und beurteilen oder auch Entwarnung geben. Für schlimm halte ich Elektrotechniker, die ganz sichere und überzeugte Aussagen zur Gesundheit verbreiten, das hat das Niveau von Heizdeckenwerbung. Wir beanspruchen ein gewisses Know-how in Funktechnologien und Ihrer Anwendung, aber wir unterwerfen uns ganz klar dem Diktum der Mediziner, wenn diese unsere Technologien kritisch sehen sollten. Wenn es im Bereich der Medizin einzelne Warner sind, die nur Hinweisen nachgehen und noch keine lückenlose Beweiskette ziehen können, aber Teile davon fundiert und seriös vortragen, dann ist die Lückenhaftigkeit eben noch kein Gegenbeweis für die Unschädlichkeit, und ein Aspekt der Vorsorge wird sogar noch wichtiger. Wenn Techniker und Ingenieure aber warnende Rufe nach einem vorsichtigeren Einsatz von elektromagnetischen Feldern als mittelalterlichen Budenzauber abtun und sich über die Befindlichkeiten der Betroffenen lustig machen, dann schürt es zu Recht bei einem Anteil der Bevölkerung weitere Ängste und Bedenken vor dieser Rücksichtslosigkeit. Das Vertrauen in diejenigen, die diese Technik in Verkehr bringen, sinkt. Historische Vergleiche mit anderen gepriesenen «Innovationen» und deren Spätfolgen, ob sie nun passen oder nicht, werden gezogen und die Kluft in der Gesellschaft wird immer grösser, die Auseinandersetzung wird eine reine Gesinnungsfrage. Natürlich darf man feststellen, dass tatsächlich eine Reihe von Spinnern und Sehern in der Branche der Gegner unterwegs ist, die teils eine Mission oder nur ein Geschäft wahrnehmen. Beides schadet einer Lösung sehr. Der Liechtensteiner Souverän wird sicher eine mündige Entscheidung treffen, und der Rest der Welt schaut genau hin.
Das ist aber immer noch keine Empfehlung für die Liechtensteiner Bevölkerung, was halten Sie denn persönlich von der politischen Dimension der Abstimmung?
In der Studie haben wir die «Grösse» des kleinen Landes Liechtenstein anerkannt, ein solch grosses Thema anzupacken. Hier im Land sind die Wege kurz, der «Verursacher» und der mögliche Betroffene von Umwelteinflüssen können sich nicht voreinander verstecken, sie kennen sich meist persönlich. Sicher wird man keine eigenen Technikstandards setzen können, die Gäste werden Ihre Geräte aus dem Ausland mitbringen und die Technik wird grösstenteils längst nicht mehr im nahen München, sondern in Fernost entwickelt. Aber hier kann der Bürger klare Zeichen setzen, wenn ihm der Immissionsschutz wichtig und das Thema etwas wert ist oder eben nicht. Mehr als diese Tendenz und Richtungswunsch kann man von den einzelnen Bürgern nicht verlangen, die Umsetzung müssen dann Fachleute angehen. Das Parlament hat wohl die Notwendigkeit gesehen, es nicht nur bei Absichtserklärungen und einem unsicheren Ergebnis zu belassen, sondern einen besseren Grenzwert als politisches Signal im Gesetz zu verankern. An dieser Einschätzung hat sich wohl bis heute nichts geändert. An der technischen Umsetzung und der Möglichkeit dazu wird der tiefere Grenzwert auch nicht scheitern, höchstens am politischen Willen der Betroffenen – und nur um diesen Willen geht es wohl bei der anstehenden Entscheidung.
Weitere Infos zu der Abstimmung in Liechtenstein unter:
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