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„Mir wurde schwindlig“

„Mir wurde schwindlig“

Wiedergabe mit freundlicher Erlaubnis
der Schweizer Konsumentenzeitschrift K-tipp

K-tipp Nr. 12, 14. Juni 2006

Die neue Studie beweist nicht, dass UMTS-Strahlung harmlos ist.

„Keine kurzfristigen Auswirkungen auf das Wohlbefinden“, sagt die neue Schweizer UMTS-Studie. Studienteilnehmer erlebten das Gegenteil.

Ernst Meierhofer
ernst.meierhofer@ktipp-ch

Für die Mobilfunkindustrie waren die Forschungsresultate, die am 6. Juni publiziert wurden, ein gefundenes Fressen. „Studie findet keine Hinweise auf Störungen des Wohlbefindens durch UMTS-Signale“, frohlockte der Branchenverband Sicta. Nun müssten blockierte Antennenbewilligungsverfahren sofort aufgenommen werden.

Was die Sicta verschwiegen hat und was auch in etlichen Zeitungsberichten zur Nebensache wurde: Die Studie von drei Schweizer Forschern macht nur Angaben zur kurzfristigen Belastung. Denn die Probanden wurden im Labor bloss 45 Minuten lang einer UMTS-Strahlung ausgesetzt und dann zu ihrem Befinden befragt. Real existierende UMTS-Antennen strahlen aber 24 Stunden am Tag.

Im Labor mussten 117 Versuchsteilnehmer während der 45-minütigen Bestrahlung an einem Computer Aufgaben lösen und so ihre „kognitiven Funktionen“ unter Beweis stellen. Einmal fand keine Bestrahlung statt, einmal betrug sie 1 Volt pro Meter (V/m), einmal 10 V/m (der Grenzwert liegt bei 6 V/m).

Die Probanden wussten nicht, ob und, wenn ja, wie viel Strahlung auf sie einwirkte. Bei den Denksportaufgaben wurden keine oder nur unbedeutende Unterschiede festgestellt.

Beim Wohlbefinden hingegen waren Effekte zu erwarten. Denn die Schweizer Studie war als Wiederholung der so genannten holländischen TNO-Studie aus dem Jahr 2003 ausgelegt; diese hatte eine Verminderung des Wohlbefindens festgestellt.

Minderheit spürte Symptome

In der Schweiz war das nicht der Fall. „Es konnte kein negativer Einfluss der UMTS-Strahlung auf das Wohlbefinden festgestellt werden“, schreiben die beteiligten Forscher.

Im krassen Gegensatz dazu steht die Aussage eines Mannes, der als Proband beim Versuch dabei war: „Mir wurde schwindlig, ich wäre fast vom Stuhl gefallen. Aber ich habe durchgehalten und die Aufgaben am Computer zu Ende gelöst.“

Und: „Ich hätte nachher nicht mehr mit dem Auto fahren können, ich fühlte mich wie betrunken. Als ich nach Hause kam, sagte meine Frau, ich sähe kreidebleich und schlecht aus. Am nächsten Tag hatte ich Migräne und Zahnschmerzen.“

Und Studien-Teilnehmer Armin Furrer aus Ausserberg VS berichtet: „Mir war nachher noch stundenlang schlecht.“

Für Projektleiter Peter Achermann von der Uni Zürich sind diese Erfahrungen kein Widerspruch zur generellen Aussage der Studie, wonach „keine Auswirkungen“ festzustellen waren. „Wir müssen festhalten, dass durchaus einzelne Personen gelegentlich über (meist schwache) Symptome berichteten.“ Das seien „korrekte Einzelangaben“, die aber „aufgrund der Ergebnisse über alle Versuchsteilnehmer nicht mit der Feldstärke in Verbindung gebracht werden konnten.“

Und Achermann betont: „Die grosse Mehrheit der Versuchspersonen berichtete über keine bis wenig Symptome.“ Der Umkehrschluss ist also erlaubt: Eine Minderheit berichtete über Symptome. Damit ist die Hauptaussage der Studie („keine Auswirkungen“) stark zu relativieren.

Studienanordnung weit weg von der Realität

Kritiker führen noch weitere Argumente an:

Probanden wurden nur mit einem UMTS-Kontrollsignal bestrahlt, auf dem keine Gespräche stattfanden. „Eine solche Situation kann etwa in den frühen Morgenstunden auftreten“, schreiben die Forscher. In Wirklichkeit sind die von Antennenstandorten ausgestrahlten Signale stärker, vielfältiger, gesundheitlich problematischer. Die Versuchsanordnung steht also weit neben der Realität.

Antennen strahlen 24 Stunden am Tag

Lothar Geppert von der Umwelt-Organisation „Diagnose-Funk“ studiert die wissenschaftliche Literatur zum Thema intensiv. „Jeden Monat erscheinen weltweit drei bis sieben Studien über hochfrequente Strahlung. 75 Prozent dieser Studien finden Einflüsse auf die Gesundheit, wie Erbgutschäden, Schlafstörungen und Absenkung des Melatoninspiegels.“

Antennen strahlen 24 Stunden am Tag – nicht nur 45 Minuten wie im Versuch. Die Forscher selber geben zu: „Die Abwesenheit von kurzfristigen Effekten stellte keinen Beweis für die längerfristige Unschädlichkeit von UMTS-Strahlung dar.“

Für die Organisation „Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz“ ist deshalb klar: „Wir fordern weiterhin ein Moratorium im Weiterausbau der Mobilfunkstruktur.“

Dass die UMTS-Technologie auch Politiker ängstigt, hat der Zürcher Gemeinderat genau an dem Tag bewiesen, an dem die Schweizer Studie öffentlich wurde: er hat trotzdem mit einem Postulat die Stadtregierung aufgefordert, einen Baustopp (Moratorium) für UMTS-Antennen zu prüfen.

Anmerkung von Gigaherz
Bei uns hat sich ein weiterer Zeuge mit noch schlimmeren Auswirkungen gemeldet. Damit dürfte sich die Zurcher UMTS-Studie endgültig und würdig ins Reich der Sagen und Märchen einreihen.
Gigaherz nimmt gerne weitere Zeugenberichte entgegen.

Von Hans-U. Jakob

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