Neue Grenzwerte in Liechtenstein
Die Mobilfunkkritiker fühlen sich über den Tisch gezogen und die Mobilfunkbetreiber lassen ein scheinheiliges Gejammer hören.
Mitgeteilt vom VGM Liechtenstein, am 6.6.08
Erklärung der Regierung gefordert
Bei der Debatte des Umweltschutzgesetzes sah die Diskussion über die umstrittenen NIS-Grenzwerte am 29. Mai 2008 noch wie eine demokratische Auseinandersetzung aus. Immer mehr sickert nun aber durch, dass das ein inszeniertes Theater gewesen sein könnte und ein abgekartetes Spiel mit absichtlicher Irreführung der Abgeordneten. Dass die Mobilfunkanbieter in einem Forumsbeitrag von sich geben, sie wären über den Landtagsbeschluss enttäuscht, passt haargenau zu dieser Taktik. Die Mobilfunkanbieter haben bei der Schaffung des USG ihr Ziel vollumfänglich erreicht. Sie reiben sich im Hintergrund die Hände, denn der Landtag hat beschlossen, dass die Strahlenbelastung bis Ende 2012 «im Mittel» gegenüber der heutigen Belastung um das Vierfache angehoben werden muss. Bezogen auf die Landesfläche, die heute im Mittel mit 0,15 V/m mit NIS-Strahlung belastet ist, bedeuten nämlich 0,60 V/m «im Mittel» eine Vervierfachung der Strahlenbelastung.
Das tönt unglaublich, aber es ist so. Wie das geht? Ganz einfach. Der Landtag hat am 29. Mai 2008 mit 15:10 Stimmen beschlossen, dass weiterhin die Grenzwerte der Schweizer NIS-Verordnung gelten, also der Anlagegrenzwert mit 4 respektive 6 V/m. Anstatt den vom Abgeordneten Pepo Frick vorgeschlagenen Grenzwert von 0,40 resp. 0,60 V/m stimmte der Landtag dem Gegenantrag des Abgeordneten Rudolf Lampert zu. In jenem Vorschlag gilt für die nächsten vier Jahre noch der heutige Grenzwert von 4-6 V/m. Ab 1. Januar 2013 gilt neu Art. 33a / Anlagegrenzwerte / Absatz 4: «Inhaber einer Anlage sind verpflichtet, bis Ende 2012 im Mittel eine tatsächliche elektrische Feldstärke von 0.6 V/m zu erreichen»!
Bild: Das fürstliche Schloss in Vaduz
Der Abgeordnete Pepo Frick wollte vor der Abstimmung wissen, was unter der Formulierung «im Mittel» genau zu verstehen ist, doch er erhielt keine Antwort. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte dann dem Gegenantrag des Abgeordneten Rudolf Lampert zu (15:10), der ab 2013 keinen gesetzlichen Grenzwert mehr, dafür aber die Vervierfachung der heutigen «mittleren Strahlenbelastung» vorschreibt!
Man darf sich fragen, ob es sich beim nunmehr gültigen Gesetzestext wohl um einen riesengrossen Formulierungs-Lapsus handelt (Art. 33a/Absatz 4). Man darf sich aber auch fragen, ob vielleicht die vom Abgeordneten Rudolf Lampert inszenierten Blitzaktion im Namen der FBP/VU-Koalition gar keine «Blitzaktion» war, sondern ein von der Mobilfunkindustrie ausgeklügeltes taktisches Vorgehen mit «Überraschungseffekt».
Die 15 Abgeordneten stimmten dem von der VU/FBP-Koalition über Rudolf Lampert eingebrachten Vorschlag wohl im festen Glauben zu, dass der Grenzwert ab 2013 auf 0,60 V/m reduziert werde. Dem ist aber nicht so (siehe Gesetzestext). Genau das Gegenteil ist der Fall. Der Landtag beschloss, dass der Grenzwert beim heutigen Anlagewert bleibt, dass aber die «mittlere Belastung» im Vergleich zu heute bis Ende 2012 vervierfacht werden muss.
Auf die Frage an den Amtsleiter des Amtes für Umweltschutz, wie der Landtagsbeschluss mit der Formulierung «im Mittel» verstanden werden muss, erhielten wir folgende Antwort: «Wir können heute keine Interpretation einzelner Passagen machen, da müsste auf die Diskussion im Landtag zurückgegriffen werden. Die Regierung hat jedenfalls den Auftrag, das Nähere mit Verordnung zu regeln».
Die mittlere Strahlenbelastung ist gemäss der Studie der Firma enorm GmbH 2005 in Liechtenstein schon heute viel höher als anderswo. Die meisten Abgeordneten sind für die Senkung der Strahlenbelastung, und nun erhalten die Mobilfunkanbieter den Auftrag, die «mittlere Strahlenbelastung» bis Ende 2012 um Faktor vier zu erhöhen?! – Wir verstehen das nicht und fordern hiermit die Regierung auf, den wahren Sachverhalt öffentlich klar zu stellen.
VGM
Verein für gesundheitsverträglichen Mobilfunk Liechtenstein
Enttäuscht über den Landtagsbeschluss
Mitgeteilt von den Liechtensteinischen Mobilfunkbetreibern
Orange, Mobilkom und Swisscom (Schweiz) am 6.6.08
Die Mobilfunkanbieter Orange (Liechtenstein), Mobilkom (Liechtenstein) und Swisscom (Schweiz) sind über die Regelungen des neuen Umweltschutzgesetzes, welche den Mobilfunk betreffen, enttäuscht. De facto hat der Landtag eine wesentliche Verschärfung der Grenzwerte um den Faktor 10 per Ende 2012 beschlossen, obwohl dafür aus wissenschaftlicher Sicht keine Notwendigkeit besteht.
Mehrmals haben die Mobilfunkanbieter die behördlichen und politischen Entscheidungsträger darauf aufmerksam gemacht, dass Liechtensteins Finanz- und Industrieplatz, wie auch die privaten Kunden einen legitimen Anspruch auf modernste Kommunikationsmittel haben. Unter diesen neuen Bedingungen können diese nicht mehr garantiert werden.
Auch notwendige Investitionen in den Netzausbau sind unter diesen Rahmenbedingungen fraglich. Es irritiert auch, dass ein solcher Entscheid getroffen wurde, obwohl der Regierung mehrere unabhängige Expertisen vorlagen, die alle zum selben Resultat gelangten: Bei Grenzwerten von 0.6V/m ist eine befriedigende Versorgungsqualität nur zu erlangen, wenn massiv mehr Basisstationen erstellt würden. Experten rechnen konkret mit einer Verzehnfachung der Basisstationen (Antennenmasten).
Die Mobilfunkbetreiber können sich zurzeit noch nicht konkreter über die Folgen des neuen Umweltschutzgesetzes äussern, zumal die entsprechende Verordnung mit den Detailregelungen von der Regierung noch ausgearbeitet werden muss.
Anmerkung von Gigaherz: Gigaherz nominiert hiermit die Liechtensteinischen Mobilfunkbetreiber für den Oskar für die grösste Scheinheiligkeit.
Kommentare sind ausgeschaltet