NFP-57: Das falsche Spiel beginnt
von Hans-U. Jakob, 9.10.2010
Ein Zusammenhang ist unverkennbar, dazu braucht es keine Verschwörungstheorie:
Am 7.Okt wurde mit grossem Medienrummel verkündet, eine Basler Studie habe ergeben, dass es keine Schlafprobleme infolge Handystrahlung gebe und bereits am 9. Oktober kam Swisscom mit noch grösserem Medientamtam mit der Vorstellung der neuen Handytechnologie 4G oder LTE daher, welche nochmals 10 mal mehr Sendemaste erforderlich macht, als bei den bisherigen Technologien GSM und UMTS. Das Timing hätte besser gar nicht gewählt werden können.
Mit riesigen Schlagzeilen, vor allem in den Gratiszeitungen „20Minuten“ und „Blick am Abend“ wurden die von der Swisscom verschickten PR-Artikel über eine angeblich gross angelegte Studie des Basler Forschers Dr. Martin Röösli (im Bild links) berichtet. Angekündigt wurde dies bereits auf den Frontseiten.
Die Auswertung der Fragebögen und Messungen bei 1375 Baslerinnen und Baslern hätten keinen Zusammenhang von Schlafstörungen mit Handymasten, Handys, Dect-Telefonen und WLAN-Anwendungen ergeben.
Die Studie wirft mehr Fragen auf als sie beantwortet
Und von einer Entwarnung kann keine Rede sein. Ganz im Gegenteil.
Die Studie wurde nämlich im Rahmen des nationalen Forschungsprogrammes NFP-57 durchgeführt. Einem Forschungsprogramm von welchem der Präsident der Leitungsgruppe, Prof. em. Alexander Borbèly, gleich von Beginn weg klar verkündete, man werde nichts finden. Sehen Sie bitte dazu unbedingt unter /nfp-57-der-skandal-geht-weiter/ und /nfp-57-herr-brauchbar-findets-brauchbar/
Dr. Martin Röösli hat demnach einen klaren Auftrag erfüllt und wunschgemäss nichts gefunden. Dass in diesem Forschungsprogramm einfach nichts gefunden werden darf, geht auch aus folgenden Fakten hervor
Im Frühjahr 2011 sollen kurz vor der Versteigerung, neuer Mobilfunkkonzessionen für die neuen Technologien 4G oder LTE genannt, die Ergebnisse des vom Staat und der Industrie kontrollierten Forschungsprogrammes NFP-57 kommuniziert werden. Die mehrheitlich aus Industrievertretern bestehende Leitungsgruppe will dazu eigene (offenbar verharmlosende) Zusammenfassungen und eigene Erkenntnisse publizieren. Denn dieser Staat, welcher dieses Forschungsprogramm finanziert hat, kann ja nicht für Milliardenbeträge neue Mobilfunkkonzessionen versteigern und im Nachhinein den Bietern mit gesetzlichen Auflagen das Geschäft vermiesen. Davor muss die Bevölkerung schon rechtzeitig ruhiggestellt werden.
Im Sommer 2011 soll dann in der Schweiz der Ausbau der neuen Mobilfunknetze für die neue Handygeneration 4G oder LTE beginnen, welche nochmals 10mal mehr Sendemaste benötigt als bisher. Auch hier muss unbedingt der Bevölkerung unmissverständlich klar gemacht werden, dass dies alles völlig unschädlich sei. Ob das dann allerdings auch geschluckt wird, ist zu bezweifeln. Denn die Einsprachenflut gegen Mobilfunkantennen wächst stark überproportional mit der Anzahl neuer Baugesuche. Sehen Sie dazu bitte nach unter /kein-antennenbaugesuch-bleibt-mehr-ohne-einsprache/ „Kein Antennenbaugesuch bleibt mehr ohne Einsprache“. Es ist eher damit zu rechnen, dass das Land in einen bürgerkriegsähnlichen Zustand hineinschlittert, wenn der unersättlichen Gier der Konzerne nicht endlich Einhalt geboten wird.
Eine herrliche Studie wurde aus PR-Gründen vorzeitig publik gemacht.
Von 192‘028 Baslerinnen und Baslern haben also gemäss Dr. Röösli 1375 oder 0.72% keine Schlafprobleme infolge Handystrahlung, DECT oder WLAN. Und die andern 190‘653??
Wurden da die richtigen Probanden ausgewählt? Wohl kaum? Sonst hätte sich anhand der Telefonrechnungen nicht herausgestellt, dass diese Personen im Schnitt nur gerade 4 Minuten pro Tag telefoniert haben.
Exposition mit dem Peut-êterli gemessen
Und alles gemessen mit einem Messgerät das laut letzten Erkenntnissen des Bayrischen Landesamtes für Umwelt bis zu 4dB oder Faktor 2.5 falsche Ergebnisse liefert.
Siehe auch /das-dosimeter-ein-peut-eterli-oder-ninueterli-/
„Peut-êterli oder Ninüterli.“ So nennen Messtechniker etwa das Personendosimeter, welches hier verwendet wurde. Hätten noch alle Dosimeter gleich falsch angezeigt, hätte man das mit einem allgemeinen Korrekturfaktor noch auffangen können. Aber niemand kann ahnen, welches der zahlreichen Geräte 2.5mal zu hoch, zu tief, oder eventuell unter Umständen vielleicht gerade doch fast richtig tickte?
So ist es nicht verwunderlich, dass das Dosimeter unterdessen zum Lieblingsgerät aller Verharmloser geworden ist.
So geht das natürlich nicht
In der TV-Nachrichtensendung „10 vor 10“ vom 7.10.2010 präsentierte Handyfreak Klapproth voller Wonne den Film mit der LTE-Versuchsanlage auf dem Flugplatz Grenchen. Herrensöhnchen in schwarzen Massanzügen und Lackschuhen fuhren in Limousinen der obersten Preisklasse auf der Betonpiste herum und demonstrierten eine Videokonferenz unter Autofahrern. Als ob es nicht schon genug Verkehrstote infolge Handy am Steuer gäbe. Nein, jetzt muss es eine drahtlose Videokonferenz ab Laptopp sein!
Auf die Frage nach dem Widerstand der Bevölkerung, antwortete der deutsche Projektleiter in gewohnter Arroganz der Oberschicht: Klar, dass mit Widerstand zu rechnen sei, aber Swisscom werde dieses neue Netz auf jeden Fall bauen.
Schlafstörungen infolge Nichtionisierender Strahlung (Elektrosmog) sind seit Jahrzehnten bewiesen.
Es sei denn man nehme die Argumentation des Bernischen Amtes für Wirtschaft BECO, früher KIGA, für bare Münze, wonach Beeinträchtigungen des Schlafes nicht als Störung des Wohlbefindens, sondern lediglich als Belästigung zu werten sei.
(Auszug aus den Grenzwertfestlegungen aus dem Jahre 1995, im Gigaherz-Archiv befindlich) Das BECO ist heute Vollzugsbehörde im Kanton Bern in Sachen Mobilfunk(!)
Item: Die jüngste und wohl bestdokumentierte, klarste Studie über Schlafstörungen in der Nähe von Mobilfunksendern ist die Studie von Dr. Horst Eger und Manfred Jahn, ausgearbeitet für und in der oberfränkischen Stadt Selbitz aus dem Jahr 2009.
Die Grafik zeigt auf der Waagrechten 4 Gruppen von Probanden.
Gruppe 1 mit 0-100m Distanz zum Mobilfunksender
Gruppe 2 mit 100-200m Distanz
Gruppe 3 mit 200-300m Distanz
Gruppe 4 mit 300-400m Distanz
Gruppe 5 mit über 400m Distanz
Gruppen 3 und 4 mit 0.7V/m und Gruppe 5 mit 0.18V/m.
Diese Belastungsmessungen sind im Bezug zu den Entfernungen auch in der Schweiz real und können mittels Spektrum-Analysator jederzeit nachvollzogen werden. Sicher nicht aber mit einem Dosimeter.
Der Anstieg des mittleren Symtomenscores von 0.99 auf 1.87 wird mit aller Klarheit deutlich.
Die Studie wurde publiziert in „Umwelt-Medizin-Gesellschaft“ Nr.23/2/2010 und kann hier als PDF heruntergeladen werden
Die Schlussfogerung lautet:
Zusammenfassend fand sich für die Studien-Teilnehmer ein signifikanter Dosiswirkungs-Zusammenhang zwischen der theoretisch ermittelten bezw. gemessenen Expositionslage sowie der Höhe des Beschwerdescores.
Gute Nacht Herr Dr. Röösli!
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