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Phantastisches Qualitätssicherungssystem

Ein sogenanntes Qualitätssicherungssystem soll das ferngesteuerte Ueberfahren der in den Baupublikationen deklarierten Sendeleistungen und Senderichtungen von Mobilfunkantennen angeblich verunmöglichen.
Kantonale Rechtsdienste und Anwälte der Mobilfunkbetreiber machen zu diesem QS-System, welches Ende Dezember angeblich in Betrieb genommen worden sei, völlig falsche Angaben. Wie es scheint sogar wider besseres Wissen!

von Hans-U. Jakob, 30.1.07

Kantonale Rechtsdienste machen falsche Angaben
Die Ausführungen der Kantonalen Rechtsdienste und der Anwälte der Mobilfunkbetreiber zum sogenannten Qualitätssicherungssystem, QS genannt, sind schlichtweg falsch.

Es wird behauptet, seit einem Jahr seien die Antennenbetreiber verpflichtet, eine dauernde Kontrollmessung laufen zu lassen, so dass die ausgestrahlten Werte stets nachgeprüft werden könnten.
So etwas ist weder bei den zuständigen kantonalen, noch privaten Fachstellen, noch bei den Mobilfunkbetreibern bekannt und nirgends installiert worden.
Kontrollmessungen haben an Orten mit empfindlicher Nutzung, wie Wohnungen, Schulzimmern und Krankenzimmern stattzufinden und hier gibt es bis dato keinerlei ständige, fest installierte Ueberwachungssysteme.

Hat mit Kontrollmessungen nichts zu tun
Immerhin wird dann von den offensichtlich pseudo-fachkundigen Juristen noch präzisiert, das BAFU verlange ein solches Qualitätssicherungssystem und die Mobilfunkanbieter müssten bis Ende 2006 über ein solches verfügen.
Dass die Mobilfunkanbieter über ein sogenanntes Qualitätssicherungssystem verfügen müssen, trifft zu, aber dieses, von BAFU, BAKOM, den kantonalen NIS-Fachstellen und den Mobilfunkbetreibern gemeinsam entwickelte System hat mit Kontrollmessungen nichts zu tun.

Wurde geschaffen, um das Bundesgericht auszutricksen
Dieses angebliche Qualitätssicherungssystem wurde geschaffen, um das Bundesgerichtsurteil 1A 160/2004 (Bolligen) auszutricksen.
Das Bundesgericht verlangte nämlich objektive und überprüfbare bauliche Vorkehrungen, also klare Hardwareanpassungen an den Antennen und Senderendstufen, damit die in den Bauakten (Standortdatenblätter) angegebenen Sendeleistungen und vertikalen Abstrahlwinkel nicht länger mittels Fernsteuerung von den Kommandozentralen aus überfahren werden können.
Dabei muss man wissen, dass die heutigen Antennen in der Lage sind, vom 10- bis zum 30-Fachen der in den Bauakten angegebenen fernsteuerbaren Sendeleistung abzustrahlen und dass in den meisten Fällen die fernsteuerbaren vertikalen Abstrahlwinkel ebenfalls weiter sind, als in den Bauakten angegeben. Das kann bei betroffenen Orten empfindlicher Nutzung zu ganz massiven Grenzwertüberschreitungen führen.

Kontrolliert wird nur alle 24 Stunden 1 mal
Das angesprochene QS-System soll laut Pflichtenheft über eine automatisierte, computergesteuerte Überprüfungsroutine verfügen, welche von den Steuerzentralen der Mobilfunkbetreiber aus einmal pro Arbeitstag die effektiv an den Senderendstufen eingestellten Leistungen und die Senderichtungen der Antennen des betreffenden Netzes mit den in den Bauakten bewilligten Werten bzw. Winkelbereichen vergleicht.
Das hat mit Kontrollmessungen bei betroffenen Menschen nicht das Geringste zu tun. Es wird lediglich alle 24h einmal, vorzugsweise morgens um 2 Uhr festgestellt, ob eine Anlage innerhalb der von den Behörden bewilligten Werte betrieben wird.

Festgestellte Überschreitungen eines bewilligten Wertes sollen angeblich innerhalb von 24 Stunden behoben werden, sofern dies durch Fernsteuerung möglich ist, andernfalls innerhalb einer Arbeitswoche.
Stellt das QS-System solche Überschreitungen fest, soll angeblich automatisch ein Fehlerprotokoll erzeugt werden. Die Fehlerprotokolle sollen dann angeblich der Vollzugsbehörde alle zwei Monate unaufgefordert zugestellt und mindestens 12 Monate aufbewahrt werden. Strafbestimmungen sind keine vorgesehen.

Die Mobilfunkbetreiber überprüfen sich selber
Eine automatisierte computergesteuerte Prüfroutine kann ebenso ferngesteuert eine Sendeleistung und einen Abstrahlwinkel 2 Minuten vor der Prüfung auf die bewilligten Werte zurückfahren und 2 Minuten später wieder automatisch auf jeden beliebigen Wert gefahren werden.
Messungen bei betroffenen Menschen finden dabei nicht statt.
Kumulative Effekte mehrerer Antennenstandorte werden nicht erfasst.

Stichproben der Vollzugsbehörden finden nicht statt
Es wird weiter behauptet, die kantonalen Fachstellen würden Stichproben vornehmen. Das ist völlig unglaubwürdig. Erstens fehlen nach unseren bisherigen Informationen dort die notwendigen Datenleitungen und Schnittstellen zu den Steuerzentralen der Mobilfunkbetreiber und zweitens müssten bei den kantonalen NIS-Fachstellen, um jeden Antenneneingang pro Sendemast (im Schnitt 24) alle 14 Tage einmal zu auditieren, mindestens 130 neue Stellen geschaffen werden.
Und mit Schreiben des Amtes für Umwelt des Kantons Thurgau vom 14. Dezember 06 an das Departement Bau und Umwelt des Kantons Thurgau, wird noch einmal ausdrücklich bestätigt, dass von den Büros der Vollzugsbehörden zu den Steuerzentralen der Mobilfunkbetreiber keinerlei Datenleitungen existieren.

Mister Gold ist Gold wert
Ob und wie die QS-Systeme bei den Mobilfunkbetreibern in Betrieb gegangen sind, wurde nicht etwa von Amtsstellen überprüft, sondern lediglich von sogenannten privaten Qualitätsmanagement-Firmen. Ob diese über Mobilfunk genügende Kenntnisse haben, darf bezweifelt werden.
Der lächerlich kleine Zeitaufwand, welchen diese sogenannten Qulitätsmanagement-Firmen betrieben haben, lässt ebenfalls wenig Gutes erahnen.
Ein Beispiel aus dem Prüfbericht von Orange:
am 02. November 06: Sogenannter Dokumentenaudit (Studium der Dokumente)
am 14. November 06: Sogenannter Systemaudit (Studium der Funktionsweise der Systeme)
am 13. Dezember 06: QA-Demo-Audit.

Allein am 13. Dezember will ein gewisser Mister Rick Gold, dipl. KMU HSG / Lead Auditor EFQM, alle 96’000 Datenpunkte (Eingestellte Leistung und vertikale Richtung pro Antenneneingang) bei Orange auf ihr Funktionieren hin überprüft haben. Eine Arbeit von 8000 Stunden an einem Tag. Mister Gold ist wahrlich Gold wert.

Von Hans-U. Jakob

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