Standortplanung von Mobilfunkanlagen – Die Entrechtung der Bevölkerung geht weiter
Das Hotel heisst wegen seinem bananenförmigen Grundriss „Banana“. Jeder Vergleich mit dem Aausdruck Bananenrepublik ist deshalb fehl am Platz.
von Hans-U. Jakob, Präsident von Gigaherz.ch, 26.1.08
Dass die Mobilfunkindustrie bald auf die sehr zahlreichen Initiativen reagieren musste, die in letzter Zeit auf der Ebene der Gemeinden ergriffen worden sind, um Gemeinde-Baureglemente so abzuändern, damit der Antennen-Wildwuchs gestoppt oder in vernünftige Bahnen gelenkt wird, konnte erwartet werden. Man(n) war deshalb allseits gespannt auf die Referate die da im Hotel Banana von einem Bunderichter, einem Rechtswissenschafter, auf der Lohnliste der Baudirektion des Kantos Zürich und gut bekannt als Soufleur am Bundesgericht, sowie einem Dr. der Naturwissenschaften der Swisscom vorgetragen werden sollten.
Als meist stumme Zuhörer waren ca. 130 Vertreter von Gemeinde- und Kantonsbehörden anwesend. Damit gewöhnliche Sterbliche nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnten, war der Eintrittspreis auf Fr. 390.- festgelegt worden.
Dr. Heinz Aemisegger Bundesrichter
Dumme Initiativen
Aemisegger verwies in seiner stark von der gedruckten Version abweichenden Rede mehrmals darauf hin, dass er hier seine persönliche Meinung vertrete und nicht etwa diejenige des Bundesgerichtshofes. Er las den Gemeindevertretern gehörig die Leviten und machte sie darauf aufmerksam, dass man am Bundesgericht bei jedem Fall von Baureglementsänderung einer Gemeinde jeweils zuerst die Vorgeschichte studiere. Sollte diese Aenderung den Ursprung in einer Gemeindeintitiative mit dem Zweck haben – auch wenn dies aus dem Aenderungstext nicht direkt hervorgehe – den Bau von Antennen einzuschränken oder gar zu verunmöglichen, das Bundesgericht diese ablehnen würde. Aemisegger verstieg sich einmal sogar dazu, die Bezeichnung „dumme Initiative“ zu gebrauchen.
Bundesrichter Aemisegger rühmte denn auch den Europäschen Menschenrechtsgerichtshof, welcher bekanntlich entschieden hat, dass es der Schweizer Regierung frei stehe, gut funktionierende Mobilfunknetze dem Gesundheitsanspruch der Bevölkerung vorzuziehen.
Fernmeldegesetz, Fernmeldeverordnung und NISV liessen dem Bundesgericht dazu genügend Ermessensspielraum. Siehe /sackgasse-13-f-67075-strasbourg/
Störender Anlage-Perimeter
Er erwähnte im befürtwortenden Sinn die von Dr. B.Wittwer in seinem Buch angeregte Einschränkung (Verengung) des sogenannten Anlageperimeters. Dies ist der Radius rund um eine Antenne in welchem keine weiteren mehr bewilligt werden dürfen. Es sei denn alle innerhalb dieses Perimeters stehenden Antennen würden für die Grenzwerteinhaltung rechnerisch als EINE Anlage zusammengefasst. Anmerkung Red: Damit könnten die Mobilfunkbetreiber schätzungsweise nochmals doppelt so viel Antennen stellen wie bisher.
Auch einer Bemerkung wert war Aemisegger der Art. 16 NISV, welcher den Mobilfunkern eine strahlungstechnische Besitzstandgarantie einräume, so dass nicht nachträglich Land in eine Bauzone gewandelt werden könne, nur um die Strahlung einer Antnne zu minimieren.
Auf eingezonten, aber unüberbauten Grundstücken muss nämlich der Strahlungswert so gehandhabt werden, wie wenn dort schon ein Gebäude mit der höchsten erlaubten Bauhöhe stehen würde.
Der Dauerbrenner Messungenauigkeit bei UMTS-Messungen komme nächstens wieder zur Verhandlung, meinte Aemisegger weiter. Der Gerichtshof werde sich weiterhin an die Empfehlungen der Bundesämter halten, da man beim Gerichtshof keine Physiker beschäftigen wolle. Aemisegger meinte, ohne sich genau festzulegen, die Messungenauigkeit liege so um die 10% herum.
Anmerkung Red: Das könnte ein böses Erwachen für ihn geben, falls er überhaupt gewillt ist aufzuwachen. Die Differenz von den tiefsten zu den höchsten am selben Ort gemessenen Resultaten liegt nämlich, vom Bundesamt für Metrologie und Akkreditierung super schön und farbig dokumentiert, bei Faktor 1.7! Das heisst, 5V/m könnte eben so gut 8.5V/m sein. Kaffeesatzlesen statt Messen!
Siehe /umts-weiterhin-kaffeesatzlesen-statt-messen/
Zum 2. Dauerbrenner Qualitätssicherungssystem meinte Bundesrichter Aemisegger, dass die Bundesämter zur Zeit Berichte zu dessen Tauglichkeit ausarbeiten würden. Sollten diese negativ ausfallen, was nicht zu erwarten sei, müsste das hohe Gericht wieder zu der Forderung nach mechanischen Beschränkungen zurückkehren.
Siehe /bundesamt-fuer-umwelt-meldet-klaegliches-scheitern-des-qs-systems/
Als einzige Bremse könnten die Mobilfunkgegner lediglich noch Art. 3 vom Eidg. Natur- und Heimatschutzgesetz benützen, führte Aemisegger weiter aus. Das heisst, geschützte Landschafts- und Ortsbilder, sowie geschützte historische Gebäude als Einsprachegrund anführen. Um diese Bestimmungen und die Befürchtungen um die Wertverminderung von Liegenschaften zu umgehen empfahl der Bundesrichter den Mobilfunkgesellschaften, ihre Antennen vermehrt in künstlichen Kaminen oder anderswie zu verstecken. Den Gemeindevertretern empfahl er statt Opposition zu machen, die Zusammenarbeit mit den Mobilfunkbetreibern zu suchen und möglichst viele Gemeinde-eigenen Grundstücke zur Verfügung zu stellen. Hier könnten im Mietvertrag Bestimmungen festgelegt werden, die über den Schutz hinausgehen, welcher die NISV biete.
Anmerkung Red: Damit würde wohl jeder Gemeindepräsident und jeder Bauamtsvorsteher glatten politischen Selbstmord begehen. Herr Aemisegger wachen Sie auf!
Dr. Hugo Lehmann, Swisscom
Gesamte Spielzeugpalette vorgestellt
Hr. Lehmann stellte die gesamte Palette der schönen neuen, elektronischen, drahtlosen derzeit auf dem Markt erhältlichen Spielzeuge vor und begründete seine Forderungen nach freier Fahrt für die freie Wirtschaft mit dem Art.1 des Fernmeldegesetzes welcher besagt: „Dieses Gesetz bezweckt, dass die Bevölkerung und der Wirtschaft vielfältige, preiswerte, qualitativ hochstehende sowie national und international konkurrenzfähige Fernmeldedienste angeboten werden.“
Somit würden bei den Mobilfunkgesellschaften nur die Kundenbedürftnisse im Mittelpunkt stehen.
Immer mehr Uebertragungsgeschwindigkeit
Lehmann erklärte die neuen Anforderungen nach immer mehr Uebertragungsgeschwindigkeit und damit auch den Unterschied zwischen der angeblich veralteten GSM- und der neuen UMTS-Technologie und verstieg sich prompt wieder zu der falschen Behauptung, dass UMTS wesentlich weniger Sendeleistung benötige und deshalb umweltfreundlicher als GSM sei. Siehe /ende-der-standardluege-nr2/ unter Standardlüge Nr.2
Eine öffentliche Planung würde die totalen Blockierung des Netzausbaues bewirken
Lehmann gab zu, dass die heutige Standortwahl in Folge des Widerstandes in der Bevölkerung nur noch aus Kompromissen bestehe. Die zur Zeit bestehende Reglementiererei führe zu mehr Standorten als eigentlich funktechnisch nötig wären und wenn man die Betreiber machen liesse. (!)
Eine öffentliche Planung der Mobilfunkstandorte zusammen mit den Gemeinden sei strickte abzulehnen. Diese führe nur zu unnötigen lokalen Debatten und anschliessenden Rekursen. Die ganze Problematik würde sich dadurch nur verschärfen.
Eine öffentliche Planung würde im besten Fall 3 Jahre dauern. Bei den Mobilfunkgesellschaften habe man jedoch einen Zeithorizont von nur 6 bis höchstens 12 Monaten.
Eine öffentliche Planung würde demnach die totalen Blockierung des Netzausbaues bewirken
Dies würde den Wettbewerb verzerren und zu negativen Auswirkungen auf die Versorgungsqualität führen. Die Mobilfunknetze seien einem steten dynamischen Wandel unterworfen und somit könne man eine Mitwirkung der Bevölkerung bei der Planung nicht gebrauchen.
Dr. jur. Benjamin Wittwer, Institut für Rechtswissenschaften UNI St-Gallen
Wittwer verglich die Taten der Mobilfunkgesellschaften mit denjenigen der Flugpioniere, welche als erste den Atlantik überquert hatten. Vielleicht ein etwas tollpatschiger Vergleich.
Die Flugpioniere gefährdeten nur sich selbst. Die Mobilfunker dagegen gefährden jedoch Tausende, welche diese Technologie weder wünschen noch nutzen, sondern ihr auf Gedeih und Verderben unfreiwillig ausgesetzt werden. Trotdem kam Wittwer mit dem verstaubten Spruch: „Alle wollen ein Handy, keiner will die Antennen“
Die Ziele der Fernmeldegesetzgebung dürfe nicht untergraben werden?
„Dieses Gesetz bezweckt, dass die Bevölkerung und der Wirtschaft vielfältige, preiswerte, qualitativ hochstehende sowie national und international konkurrenzfähige Fernmeldedienste angeboten werden.“ zitierte bereits sein Vorredner aus diesem Gesetz.
Was Wittwer noch hinzufügte war, dass eine zuverlässige Grundversorgung mit Fernmeldediensten für alle Bevölkerungskreise in allen Landesgegenden gewährleistet werden müsse.
Anmerkung Red: Das stimmt schon, Herr Wittwer, aber diese Grundversorgung hat laut Fernmeldegesetz über das Kabelnetz zu erfolgen und nur ganz ausnahmsweise in gottverlassenen Berggegenden über das Mobilfunknetz.
Als rechtswidrig bezeichnete Wittwer:
-Die Erstellung von Mobilfunk-Moratorien
-Bauabschläge obschon alle Voraussetzungen (Einhaltung der NISV) erfüllt sind
-Verlangen nach Alternativstandorten
-Bauvorschriften, welche den Bau von Mobilfunkanlagen einschränken
Gesetzlich zulässig dagegen sei eine Kombination von Negativ- und Positivplanung,
sowie vertragliche Regelungen zwischen Gemeinden, falls diese eigene Grundstücke zur Verfügung stelle.
Was Wittwer unter Kombination von Positiv- und Negativplanung versteht, schlug dem berühmten Fass den Boden endgültig aus.
Die Gemeinden könnten privilegierte Wohnlagen mit gehobenen Ansprüchen tatsächlich vor Antennbauten schützen, wenn sie im Gegenzug weniger privilegierte Quartiere, wie gemischte Wohn/Gewerbezonen oder Arbeitersiedlungen (mit Vorliebe Fremdarbeiterquartiere meinte ein Gemeindepräsident sarkastisch in der Diskussion) für den Bau von Antennen freigeben würden. Selbstverständlich müssten in diesem Fall die privilegierten Wohnquartiere von den unterprivilegierten aus genügend bestrahlt werden können, meinte Wittwer.
Anmerkung Red: Wer diese, an mittelalterliche Verhältnisse erinnernden Aeusserungen nicht glaubt, kann bei Gigaherz gerne die entsprechenden Vortragsfolien von Dr. jur. Wittwer anfordern. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Menschenverachtung man heute in der Juristerei einen Doktortitel erlangen kann.
Gemeinden müssen eigene Grundstücke zur Verfügung stellen, wenn sie mitreden wollen.
Auch Wittwer, wie zuvor schon Aemisegger, schlug den Gemeinden vor, Gemeinde-eigene Grundstücke zur Verfügung zu stellen. Nur so könne via Mietvertrag Einfluss auf die Strahlungsleistung genommen werden. Ein Mietvertrag zwischen Mobilfunkern und Gemeinde lasse auch Spielraum für andere Kompromisse zu. Auch Wittwer ist hier entgegezuhalten, dass ein Gemeinderat mit diesem Vorgehen die nächsten Wahlen nicht überleben wird. Also Herr Wittwer, was soll dieser Unfug? Machen Sie endlich Augen und Ohren auf und steigen sie von ihrem Thron herunter!
Zum Schluss versuchte Wittwer nochmals die uralte Mär von den angeblich 10 mal tieferen Schweizer Grenzwerten an den Mann, resp. die Frau zu bringen.
Mindestens gab er zu, dass es sich dabei nur um den Schutz vor thermischen Wirkungen handle weil die nichtthermischen biologischen Auswirkungen zur Zeit nicht beurteilbar wären.
Herr Wittwer, wir von Gigaherz fragen uns schon, wie es möglich ist, mit einer derartigen Leseschwäche den Doktor der Juristerei zu machen? Sehen Sie doch bitte noch einmal nach unter: /endlich-deutscher-wissenschafter-spricht-klartext-ueber-den-schweizer-grenzwertschwindel/ Deutscher Wissenschafter spricht Klartext über den Schweizer Grenzwertschwindel.
Die Schlussdisskussion auf dem Podium
Obschon alle Besucher ihre Fragen wie verlangt, schriftlich eingereicht hatten, wurde keine einzige davon aus dem Korb gefischt. Waren diese wohl zu heiss?
Der Moderator meinte zwar, diese lauteten sowieso alle gleich oder ähnlich. Also veranstaltete er eine nicht enden wollende Diskussion unter den Podiumsteilnehmern selbst. Die Verbrüderung des Bundesrichters mit dem Swisscom-Referenten wirkte schon etwas peinlich. Einer der 6 Anwälte, die von Gigaherz zur Zeit beschäftigt werden, sagte am folgenden Tag, er habe sich so darüber aufgeregt, dass er die ganze Nacht nicht geschlafen habe!
Abschliessend sei die Frage erlaubt, ob solche Bundesrichter überhaupt tragbar sind?
Gigherz wird der Sache bei den politischen Oberinstanzen nachgehen. Wer denn sonst?
Werden Sie deshalb Mitglied bei uns.
Kommentare sind ausgeschaltet