News

Der perfektionierte Unsinn – oder die Replikation der TNO-Studie

Der perfektionierte Unsinn ??? oder die Replikation der TNO-Studie

Freudenstrahlend gaben die von den Mobilfunkbetreibern und vom Staat finanzierten Forscher heute Vormittag an einer überstürzten und überbelegten Pressekonferenz an der UNI Zürich ihre Resultate bekannt.

Hans-U. Jakob, 6.6.06

Damit die Informationen in die richtigen Kanäle geschleust werden konnten waren nur
50 handverlesene Journalisten und diese nur mit Presseausweis zugelassen. Der Berichterstatter von Gigaherz, der grössten schweizerischen Betroffenen-Organisation musste sich schon selber einladen und Zutritt verschaffen.

Bereits am Saaleingang prangte in Grossbuchstaben auf den längst vorgedruckten Pressinformationen:

Keine Auswirkungen kurzfristiger Mobilfunkstrahlung auf das Wohlbefinden und die kognitiven Fähigkeiten des Menschen.

und weiter

die Mobilfunkbetreiber erwarten nun die Aufhebung der Bewilligungsblockaden.

Alles wie gewohnt mit dem strahlenden Schweizerkreuz der Bundesämter versehen.

Damit war von Anfang an klar was die Pressekonferenz bezweckte. Nicht seriöse Forschung, sondern Aufhebung der Bewilligungsblockaden, die viele Gemeinden erstellt hatten, bis die Resultate der Replikation der vor 3 Jahren in den Niederlanden publizierten, sogenannten TNO-Studie erfolgt sei.

Bei dieser Finanzierungsart 40% durch Mobilfunkbetreiber und 60% durch staatliche Organe, war Gigaherz schon seit 10 Monaten klar, wie diese Forschungsresultate herauskommen würden und hat deshalb seine Argumentationen für die Blockierungen von Antennenbaugesuchen längstens umgestellt.
Es kann ja nicht derselbe Staat, welcher für Millionenbeträge Mobilfunkkonzessionen versteigert, im Nachhinein den Netzaufbau behindern.

Das Studiendesign beinhaltete pro Proband 4 Sitzungen ? 45 Minuten mit jeweils einer Woche Abstand. Dies im Gegensatz zur TNO-Studie, wo alle Sitzungen an einem Stück stattfanden.
Die Probanden mussten je 4 mal in bestrahltem und je 4mal in unbestrahltem Zustand Fragebogen ausfüllen und Reaktionstests bestehen. Die Probanden wussten nicht, wann sie mit Null, mit 1V/m oder mit 10V/m bestrahlt wurden.
Die Sitzungen fanden in einem völlig abgeschirmten Untergeschossraum statt.
Es wurden 33 Probanden untersucht, die sich selbst als elektrosensibel bezeichnet hatten und 84 die glaubten, nicht elektrosensibel zu sein.
Als Bestrahlungsart wurde, ganz im Gegensatz zur TNO-Studie ausschliesslich das Signal eines UMTS-Pilotkanals verwendet. Die TNO-Studie hatte ein Gemisch aus Pilotkanal, Datenverkehr und zusätzlichen GSM-Signalen, das heisst eine wesentlich wirklichkeitsnahere Strahlungsart als Grundlage.

Weitere schwere Kritkpunkte:
Die Probanden waren, bevor sie in den völlig abgeschirmten Testraum geführt wurden, während einer Bahnfahrt von durchschnittlich einer Stunde, sehr hohen niederfrequenten Feldern zwischen 800 und 2000 Nanotesla und einem zusätzlichen maximalen Gemisch von GSM-Basisstationen, Repeatern und Handys ausgesetzt. Dann erfolgte eine Fussmarsch oder eine Tramfahrt durch das total mobilfunkverseuchte Zürich von mindestens 20 Minuten.
Der Organismus der Probanden hatte nicht den Hauch einer Chance auf Erholung, bevor die Tests begannen. Die Bestrahlung im Testraum mit 1V/m glich dann in Bezug auf die vorangegangene Belastung eher einer Erholung, denn einer Stresssituation. Einer Erholung die allerdings kaum etwas zur Klärung der Situation beitragen konnte, bedarf doch das menschliche Gehirn bis zur vollständigen Beruhigung der Hirnströme einer strahlungsfreien Phase von ca. 36 Stunden (Dr. Lebrecht von Klitzing). Hätte in dieser Replikation etwas Sinnvolles herausschauen dürfen, hätten die Probanden vorgängig 48 Stunden in strahlungsfreier Umgebung in Quarantäne gesetzt werden müssen.

Dass sich bei der Intensität von 10V/m keine Unterschiede in den kognitiven Funktionen zeigten ist schlichtweg unglaubwürdig. Haben wir doch Zeugenaussagen von Probanden, die bis 2 Stunden nach der Strahlendusche nicht mehr in der Lage waren ein Auto zu fahren.
Gigaherz ruft deshalb alle 38 Probanden, die sich als Elektrosensible bezeichnet hatten auf, sich zu melden um über ihre Erfahrungen zu berichten. Eine Publikation dieser Erfahrungen wird später auf dieser Seite erfolgen.

Damit wird nochmals das krasse Missverhältnis von elektrosensiblen zu nicht-elektrosensiblen Probanden angesprochen. Dieses betrug 33 Sensible zu 84 Nicht-Sensiblen.

UMTS-Strahlung ist offiziell noch gar nicht messbar
Während das Bundesamt für Metrologie und Akkreditierung (METAS) immer noch an der frappanten Ungenauigkeit von Faktor 4.3 bei 8 verschiedenen Messgerätetypen (alle in der Preisklasse >35’000 Franken) herumrätselt, gab Niels Kuster, einer der beteiligten Forscher, eine Messgenauigkeit von 5% an. Da kann man METAS nur empfehlen sich sofort bei Kuster zu melden, der weiss offenbar wie.
Vorläufig müssen wir annehmen dass die Bestrahlung wegen dieser rätselhaften Unterschiede statt 1V/m ebensogut nur 0.23V/m hätte betragen können.

Fazit:
Die Studie wirft mehr Fragen auf als sie beantwortet.
-Es bestand ein krasses Missverhältnis von sensiblen zu unsensiblen Probanden.
-Es wurde eine völlig andere Signalform als bei TNO verwendet.
-Die Intensität der Strahlung konnte nur mit einer Ungenauigkeit von Faktor 4.3 beurteilt werden, andere Messgeräte gibt es noch gar nicht.
-Die Probanden wurden vor den Tests nicht in Quarantäne genommen.
-Von den beteiligten sensiblen Probanden liegen von der Studie sehr abweichende Berichte vor.

Und das Wichtigste:
Es wurden gegenüber der TNO-Studie so viele Parameter verändert, dass es sich nicht um eine Replikation, sondern um eine neu konzipierte Studie handelt, die ihrerseits wiederum nach einer Replikation ruft.

Dies sind nur die Eindrücke aus der heutigen Pressekonferenz. Die Studie selbst werden wir beurteilen, sobald unsere Uebersetzerin eine deutsche Uebersetzung davon gemacht hat.

Schwer zu bemängeln ist ferner, dass sowohl die Bundesämter, wie die Mobilfunkbetreiber die Studie zwecks Stellungnahmen bereits eine Woche zum Voraus erhalten hatten, während man die Kritiker- und die Betroffenenorganisationen gar nicht erst zur Pressekonferenz einladen wollte.

Und hier die internen Links zur Vorgeschichte:

Offene Fragen zur Replikation der TNO-Studie (unter Forschung und Technik)

Offene Fragen zur TNO-Replikation – Die Antworten der Projektpartner (unter Forschung und Technik)

Das lange Warten auf die Replikation der TNO-Studie (unter Forschung und Technik)

Replikation der TNO-Studie – Eine Gegendarstellung (unter Forschung und Technik)

UMTS-Strahlung ist offiziell gar nicht messbar (unter Recht oder Unrecht)

Von Hans-U. Jakob

Kommentare sind ausgeschaltet